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Ganze Arbeit, bitte!

Anläßlich der Aufführung von Strindbergs »Traumspiel« war im Programmheft ebenbürtig neben den künstlerischen Mitarbeitern des Regisseurs auch das Modenatelier genannt, das die Kleider einiger mitwirkender Damen hergestellt. Mir war dabei sehr unbehaglich zumute. Der etwas anfechtbare Brauch einiger Amüsierbühnen ist also auch ins Deutsche Theater eingedrungen, und nicht einmal Strindberg bietet einige Sicherheit.

Ehre, wem Ehre gebührt! Jeder werde öffentlich erwähnt, der dazu beigetragen hat, der Aufführung ihre künstlerische Prägung zu verleihen. Aber, es klingt hart, schöne Leserin, das Bekleidungsinstitut hat keinen Anspruch darauf.

Manuelle Fertigkeit soll nicht hochnäsig unterschätzt werden. Die Leistung der Konfektion mag etwas sehr Gediegenes sein, entbehrt aber jenes subjektiven Charakters, der die Legitimation alles Künstlerischen bedeutet. Die Mode der Saison steht längst vorher fest; was dann folgt ist lediglich – manchmal geistvolle – Paraphrase jener Ideen, die für ein paar flüchtige Monate Form und Schnitt des Kleides beherrschen. Doubletten sind Handwerk, nicht Kunst.

Verkannt darf natürlich nicht werden, daß es Theater gibt, in denen das Kleid der jeweiligen Diva den einzigen Lichtblick und die alleinige Leistung des Abends bildet. Da aber sei man konsequent und stelle den Namen des Modenateliers im Fettdruck voran. Ehre, wem Ehre gebührt!

Wo aber Künstlers Tat im Mittelpunkt steht, da überlasse man diesem auch ungeschmälert die Lorbeeren. Glaubt man aber trotzdem, irgendwelchen Geschäftshäusern öffentliche Respektsbezeigung schuldig zu sein, dann mache man gefälligst ganze Arbeit und führe nicht nur die Namen der Firmen auf, welche die Oberkleider geliefert haben; denn auf der modernen Bühne spielen die Dessous und Nachthemden mindestens die gleiche Rolle. Es wird ebenfalls außerordentlich interessant sein, zu erfahren, von wo der geschätzte Bonvivant sein Monokel bezieht, und welchen Pillen die bekannte und beliebte Künstlerin ihre charakteristische Schlankheit verdankt.

Und bei der Premiere vergesse man nicht den Autor. Dichter sind gewöhnlich keine Krösusse. Wie schön würde es sich ausnehmen, wenn da auf dem Theaterzettel zu lesen wäre: der Frack des Herrn Soundso ist geliefert von der bewährten Garderobeverleihanstalt A. Mendelmeier, Invalidenstraße 231 ...!

Berliner Volks-Zeitung, 21. Dezember 1921


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