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Israels Streitmacht

Wie aus Zeitungsnachrichten hervorgeht, hat die Regierung des Freistaates Palästina die Errichtung einer eigenen Wehrmacht beschlossen. Vorbereitet sind zunächst zwei Bataillone, die unter der Führung der Herren General Lastell und Colonel Margolin stehen werden. Die Dienstzeit ist auf ein Jahr festgesetzt; alle sechs Monate soll rekrutiert werden.

Diese Nachricht wird ohne Zweifel auf die Antisemiten aller Länder, die bisher die Juden der Drückebergerei und der Feigheit bezichtigten, einen außerordentlich starken Eindruck machen. Herr Richard Kunze z.B. wird wohl oder übel an die Erfindung einer neuen Defensivwaffe gehen müssen, denn gegen die militärisch organisierte Judenheit hat sein historisch gewordener Knüppel die Macht verloren und wird bald in einer staubigen Vitrine des Zeughauses über sein zwecklos gewordenes Dasein Betrachtungen anstellen können.

Aber ich muß leider gestehen, daß Judas etwas verspätete militärische Renaissance auf mich keinen erfreulichen Eindruck macht. Denn in den Juden verehrte ich das einzige unkriegerische Volk der sogenannten zivilisierten Welt, das Volk ohne Feldwebel. Seit Judas Makkabäus hat Israel keinen Heerführer hervorgebracht. Massena war eine Ausnahme. Es ist auch unbekannt, ob dieser Sohn der Revolution die berühmten »typisch jüdischen« Eigenschaften entfaltet hat. Die Geschichte weiß nur von ihm zu berichten, daß er für die Brokatstoffe und Silbergeschirre der jeweiligen Stabsquartiere die gleiche Vorliebe zeigte wie seine christlichen Kollegen von der napoleonischen Marschallität.

Spinoza hat philosophiert und, da er davon nicht leben konnte, Brillengläser geschliffen. Jehuda ben Halevi und Heinrich Heine haben Verse gemacht und Rothschilds Geldgeschäfte. Aber Ahasver im Stechschritt ist eine blanke Unmöglichkeit.

Von den Herren General Lastell und Colonel Margolin ist nicht bekannt, ob sie sich diese christlich anmutenden Titel für Fähnchenstecken erworben oder ihr kulturförderndes Handwerk bereits weniger theoretisch ausgeübt haben. Aber sie werden sicherlich zu den Traditionen Davids und Joabs zurückkehren und sorgfältig darauf halten, daß auch im Freistaat Palästina der Unterschied zwischen Händlern und Helden nicht verwischt wird.

So holt Israel eifrig nach, was es seit der Evakuierung durch Titus versäumt hat: es stellt die geistigen Waffen ins Zierschränkchen und schafft sich eine schimmernde Wehr an. Diesen zeitgemäßen Fortschritt werden zunächst die armen Araberhorden zu spüren bekommen, die auf kargem Boden im Innern des Landes hausen ..., ohne die geringste Ahnung vom historischen Recht, dessen tiefere Bedeutung ihnen nunmehr bald mit dem Maschinengewehr erschlossen wird ...

Auch hier geschieht, was längst geschah,
Denn Naboths Weinberg war schon da.

Berliner Volks-Zeitung. 9. April 1921


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