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Verpatzte Ostern
Die Feiertage in Berlin

Ich bin nicht gewohnt, an Sonn- und Feiertagen mitten in der Nacht aufzustehen. Wenn ich am Ostersonntag bereits vor neun Uhr morgens das Federquartier verlassen hatte, so war's aus dem Grunde geschehen, weil der Wind gar zu unleidlich an den Fensterkreuzen meines etwas hochgelegenen Skribentendomizils rüttelte. Es war wirklich ein schlimmes Konzert; selbst der ausgepichteste Sonntagsvormittagsschläfer war nicht imstande, dieser Appassionate zu widerstehen. Dann gab es zur Abwechslung einen kurzen, aber intensiven Platzregen, der zu nichts weiter führte, da der Windgott Aeolus, durch diese Konkurrenz aufgestachelt, umgehend seine ganze Sippe mobil machte und mit geringer Mühe den regenspendenden Jupiter in sein Wolkenschloß zurückjagte.

Der junge Frühling aber hat einen kräftigen Stoß bekommen. Der Karfreitag mit seinem blauen Julihimmel ist rücksichtslos als Anachronismus entlarvt worden. Kein Polizeikommissar kann brutaler vor aller Augen einem Hochstapler die geborgte Hülle vom Leibe reißen, als es diesmal der Märzmond seinem Karfreitagskinde tat.

Und so sind auch alle unsere Hoffnungen kläglich verweht. Ihr freundlichen hellen Sommerkleider, zurück in den Schrank, in den ihr gehört – es war ein Irrtum! Nur du, lichtblauer Hut, vor wenigen Tagen gekauft für den Erlös des Wintermantels (jetziger Aufenthalt: Städtisches Leihhaus), schmückst mein Haupt ... Aber wie wenig Pläsier machst du, wenn man mit allen Greiforganen dich festklammern muß und Schultern und Kniekehlen indessen nur schwach geschützt der rauhen Witterung gütigst anheimgegeben sind ...?! In früheren Zeiten hätte man wenigstens seine Freude gehabt an den rückhaltlos wehenden Damenkleidern. Aber dank den Ratschlüssen der Modegebieter sind heuer die weiblichen Bekleidungsstücke nicht lang genug, um überhaupt dem Winde als Spielzeug dienen zu können. Man hat sich auch längst sattgesehen und ist reichlich blasiert. Man ahnt unter den bunten Florstrümpfchen die Gänsehaut, und das stimmt nicht heiter ...

Es war eine bitterböse Niete. Wir hatten uns auf das Säuseln des Zephyrs gefreut und statt dessen packt uns der grimme Boreas am Kragen ...

Berliner Volks-Zeitung. 29. März 1921


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