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Das Buch als Geschenk
Ein Begleitwort

Kein Mensch hat ein ärgeres Odium auf sich geladen als jener Kalif, der der Überlieferung nach die herrliche Bibliothek von Alexandria dem Feuerbrand preisgab. Die Weltgeschichte ist in Einzelfällen bereit, dem Verbrecher mildernde Umstände zuzubilligen, aber niemals dem Barbaren. Der Mensch ohne Bücher ist ein Torso, eine Kompromittierung des Schöpfers. Die Büchersammlung, die du dir im Laufe der Zeit selbst zusammengestellt hast, ist dein Intimstes, gibt deine geistigen Züge besser wieder als dein Bildnis, das daneben an der Wand hängt. Das beachte also wohl, wenn du den Entschluß gefaßt hast, deinem lieben Nächsten ein Buch zu Weihnachten zu schenken. Wenn es ein Geschenk sein soll, das den Namen verdient, muß er etwas damit anfangen können. Erwerbe kein Buch auf die Fassade hin, weil es mit einem bunten Bild auf dem Umschlag ist oder die Ecken vergoldet sind oder dergleichen. Auch nicht, weil es gerade Mode ist. Gehe bei der Auswahl mit Vorsicht zu Werke. Versuche dich in die Seele desjenigen hineinzuversetzen, dem du eine Freude machen willst. Leichtsinn rächt sich. Vermeide es, deiner sittsamen Erbtante Wedekinds »Lulu« zu verehren. Oder die »Alraune« von Hanns Heinz Ewers. Du riskierst Enterbung. Bannfluch der Familie. Schenke keinem Menschen, der Bücher liebt und nach ihrem Wert zu schätzen weiß, etwas Minderwertiges. Es tut ihm weh. Aber verunglimpfe Hölderlin oder Wilhelm Raabe oder Richard Dehmel nicht, indem du sie, nur um mit deiner Bildung dicke zu tun, einem offenbaren Banausen auf den Weihnachtstisch legst. Stopfe ihm lieber ein paar Importen in den Hals. Er hat mehr davon, und den seligen Geistern bleibt ein peinlicher Augenblick erspart. Vor fünfzehn Jahren noch war das »schöne Buch« eine Seltenheit, ein kostbarer Leckerbissen für Kenner. Es war damals schon teuer. Heute ist es im Preise um das dreißig- und vierzigfache gestiegen und deshalb zu einer allgemeinen Seuche geworden. Ein Buch ist kein totes Inventar, es erhält durch den Gebrauch sein eigenes Leben. Nichts ist fürchterlicher als die Luxusbücherei, die Protzenbibliothek, das Panoptikum von Edelexemplaren in Pergament oder Seide, auf Bütten gedruckt, wenn der Besitzer Piefke heißt oder, schlimmer, ist. Denke an die Stunden voll unerhörter Seligkeit zurück, die du als Fünfzehnjähriger mit ein paar ungebundenen Reclam-Bändchen verlebtest, von deinem kärglichen Taschengeld abgespart. Die Reize des schöngedruckten und schöngebundenen Buches zu empfinden, erfordert ebensosehr natürliches ästhetisches Gefühl wie langjährige Schulung des Geschmacks. Dennoch versuche dich dazu zu erziehen, wenn du einmal Sinn dafür in dir entdeckt hast. Der Luxusband ist natürlich brandteuer. Aber jedes gute deutsche Verlagsunternehmen, und es gibt deren heute viele, hält auf eine gute Aufmachung. Nur der Hinterweltler wird heute noch auf Schund hereinfallen. Wer aber einmal erlebt hat, wie er dem anderen mit seinem Geschenk eine rechte Herzensfreude machte, der wird von nun an nach dem eigenen Buche streben. Denn das bleibt das letzte Ziel: das Buch als Besitz und nicht als Gast (gegen Leihgebühr und 15 Mark Kaution). Mit Recht schrieb einmal der verehrungswürdige Bücherfreund Hans v. Weber: »Das haben die Bücher mit den Frauen gemein: sie nicht allein zu haben, widerspricht guter Sitte.«

Berliner Volks-Zeitung. 27. Oktober 1921


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