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Ein Friedensministerium?

Die Idee eines Friedensministeriums ist nicht neu. Bei allen Erörterungen in pazifistischen Kreisen ist man doch nie zu klaren Entschlüssen gekommen. Dennoch hat diese Idee etwas bestechendes. Es lebt darin eine Vorstellung von der Sammlung aller schöpferischen Kräfte eines Staates. Wiederholt haben ausgearbeitete Projekte vorgelegen, wenngleich man das Gefühl nicht los wurde, daß es hier noch an der nötigen Reife fehlte. Reife der Zeit oder der Idee. Vor dem Kriege mußten natürlich alle auf dieses Ziel gerichteten Bestrebungen Theorie bleiben. Der Staat war ein Ausdruck des Machtwillens. Daran war nicht zu rütteln. Er hätte sich selbst aufgegeben, hätte er nach anderem Inhalt gestrebt. Heute in der Periode des dennoch werdenden Völkerbundes scheinen etliche Barrieren gefallen zu sein. Über das Friedensministerium braucht nicht mehr so hoffnungslos diskutiert zu werden wie Anno Bernhardy. Verschiedene Ortsgruppen der Deutschen Friedensgesellschaft haben sich neuerdings damit befaßt. Auf der Casseler Generalversammlung lag ein entsprechender Antrag der rührigen Ortsgruppe Aachen vor. Er wurde der Geschäftsleitung als Material überwiesen. Geben wir hier die Begründung der Aachener Freunde wieder:

»Ernste Pflicht des Staates ist, seinen Bürgern die Schrecken eines Krieges fernzuhalten und ihnen ein Leben in friedlicher Arbeit zu gewährleisten. Diese vornehmste Arbeit des Staates hätte ein Friedensministerium zu erfüllen, einesteils, indem es Konflikte, die im wirtschaftlichen Wettkampfe der Völker immer wieder auftreten werden, rechtzeitig erkennt und kommenden Zwisten vorbeugt; dann auch Mittel und Wege zur Völkerverständigung sucht und ebnet.

Es gab eine Zeit, da waren die Arbeit und die Forderungen unseres Kriegsministeriums bestimmend für die Rüstungen der anderen Nationen. Zeigen wir jetzt der Welt, daß wir ein friedliches Volk geworden! Vielleicht daß unser Friedensministerium bei unseren Gegnern Nachahmung findet, jedenfalls werden die Pazifisten drüben von ihren Regierungen ähnliche Maßnahmen fordern.«

So faszinierend diese Begründung klingt, so wenig sind wir in der Lage, an ihre praktische Durchführbarkeit zu glauben. Gewiß ist es ein wunderschöner Gedanke, eine Instanz zu schaffen, die die organisierte Abwehr alles zersetzenden Treibens, aller Tendenzen, die auf Schürung des Klassen- und Völkerhasses hinauslaufen, zu sein hat. Gewiß wäre es schön, wenn ein Volk seinen Willen zu friedlichem Leben, seine Abneigung gegen alles, was dem Leben schadet, in dem Maße mobilisieren könnte, daß ein eigenes Ministerium ein Ausdruck dieses unerschütterlichen Glaubens an den Sieg des Kampfes ohne Waffen sein müßte. Aber die Schwierigkeit liegt eben darin, daß es sich hier um ideelle Werte handelt, die sich überhaupt in kein Ressort einengen lassen. Es hat sie entweder jedes Ressort oder gar keines!

Die Pflicht, die Schrecken eines Krieges fernzuhalten und den Bürgern des Landes ein Leben in friedlicher Arbeit zu gewährleisten, ist eine Angelegenheit des Auswärtigen Amtes. Ebenso alles, was Mittel und Wege zu einer Völkerverständigung sucht und ebnet. Dagegen Zwistigkeiten, die sich aus wirtschaftlichem Wettkampfe ergeben, würden zum Arbeitskreis des innerpolitischen resp. des Wirtschaftsministeriums gehören. Für die rein geistigen Aufgaben, die Pflege der Gesinnung, besonders in den Schulen, käme das Kultusministerium in Betracht. Man stelle sich vor, welch eine babylonische Verwirrung ein neues Ressort ergeben würde, für das überhaupt keine Grenzen zu ziehen sind, das immer und immer in drei Nachbarressorts hineinragen, sie eigentlich verschlingen müßte. Der Streitigkeiten wäre kein Ende. Die Wirkung würde eine alles andere als friedliche sein.

Das Schlimmste aber: man hätte wirklich ernsthaft vor, den Beweis zu erbringen, ein wirkliches friedliches Volk zu sein, und riefe ein solches Ministerium ins Leben. Von vornherein wissen die Fachmänner, daß es nie wirklich arbeitsfähig werden wird. Dazu sind die technischen Hemmungen zu stark. Und man schafft es doch. Man baut ihm ein prächtiges Gebäude und verleiht ihm im übrigen jene amtliche Ohnmacht, die gewisse Behörden so gut kleidet. Könnte der Friedensgedanke ärger diskreditiert werden als durch solch eine prächtig geputzte Puppe mit funkelnagelneuen blauen Glasaugen, während rundherum der Unfriede tobt?! Besteht bei dem ausgeprägten Machiavellismus, der noch immer die Politik beherrscht, nicht die Gefahr, daß ein imperialistischer Staat ein solches Ministerium errichtet, einfach als Draperie ganz anderer Zwecke? Wir müssen sehr vorsichtig sein. Was für uns ein reines und hohes Symbol ist, kann von andern ganz einfach als Aushängeschild benutzt werden. Hüten wir uns vor einem Kultus des Wortes. Es kommt nicht darauf an, als Ausdruck des Friedenswillens eines Staates, diesen Willen in ein Ressort zu pressen, nein, es kommt darauf an, den Staat bis in seine geringsten Funktionen hinein in dem Maße zu verfriedlichen, daß er kein Symbol seines Friedenswillens mehr braucht, sondern selber ein Symbol des unerschütterlichen Friedenswillens seiner Bürger ist.

Völker-Friede. Dezember 1919


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