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Constantin Frantz

Das ist einer jener Denker, über den die Entwicklung des Bismarckschen Zeitalters scheinbar hinweggegangen ist. Besessen von jenem Drang nach Wahrheit und Gerechtigkeit, den die Treitschke-Schüler ein wenig ärgerlich »Ideologie« nannten, und der neurepublikanischen deutschen Politikern als »Fimmel« erscheint. Mitten in einer Zeit unerhörten politischen und wirtschaftlichen Aufstieges, in Machttrunkenheit und Erfolgslüsternheit, wog er ruhig alle Werte ab, die seine Zeitgenossen vergötterten und unbeirrbar klang sein »zu leicht gefunden«. Nicht der rankünebegabte Politiker Windthorst, sondern der Ethiker Constantin Frantz ist der natürliche Widerpart Bismarcks gewesen. Windthorst, gewiß eine eminente politische Potenz, war in seinem ganzen Wirken an die Partei gebunden, Frantz, der Überparteiliche, wollte ein Schärfer der Gewissen sein, und da er aus dem lautersten Born ewiger Menschlichkeit schöpfte, ging er nicht mit der Zeit dahin, die einen solchen Eckart brauchte, sondern kommt immer wieder, wenn Volk in Not ist, wenn die Ungeister der Erfolgsanbeterei, der Staatsverhimmelung die Seele Deutschlands zu verfälschen drohen. Mitten im Weltkrieg erinnerte Friedr. Wilh. Förster in einem glänzenden Essay in der »Friedenswarte« an Bismarcks gefährlichsten Gegner und nunmehr gibt Hans Schwann-Schneider in einer kleinen inhaltsreichen Schrift (Verlag » Friede durch Recht«, Stuttgart, Preis 1,80 Mark) eine ausgezeichnete Übersicht über die Gedanken und Schriften dieses Mannes. » Deutsche Weltpolitik im Lichte Constantin Frantz's« nennt Schwann-Schneider seine Arbeit, und es ist sein Verdienst, daß er als eifriger Interpret seines Meisters darzulegen versteht, wie wenig diese Gedanken aus der Zeit zwischen 1850–1880 veraltet sind, sondern daß Constantin Frantz berufen ist, auch der Weltpolitik von 1920 den Spiegel vorzuhalten.

Mitteilungen der Deutschen Friedensgesellschaft. April/Mai 1920


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