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Strindberg: »Ein Traumspiel« Deutsches Theater

Strindbergs reinstes und seelenvollstes, aber szenisch auch schwierigstes Werk ist in Berlin längst nicht mehr unbekannt. Meinhard-Bernauer wagten sich vor einigen Jahren mit schönem Gelingen daran. Max Reinhardt ist sicherlich nicht der Mann, der die Konkurrenz als Impetus seines Wirkens braucht; er schafft aus sich selbst und zu seiner eigenen Lust, deshalb erübrigen sich auch Vergleiche mit den früheren Vorstellungen in der Königgrätzer Straße.

Reinhardt verlieh dem Drama die feierlichen Rhythmen eines Oratoriums. Der spukhaft-skurrile Einschlag trat ein wenig zurück, nur das Ungewisse des Traumes wurde eingehalten, das Zittrige der Konturen, das Verschwimmende der Bilder. Hohe trostlose Mauern reckten sich auf, enge dumpfe Stuben preßten die Seele in den Staub. In der Ferne glitzerten Lichter, mit bunten Fahnen lief das Liebesschiff ein. Das Ensemblespiel war meisterhaft gebändigt, die Einzeldarbietungen bewegten sich auf hohem Niveau. Helene Thimig, die Göttertochter, hielt sich diesmal von störender Manier frei, sie gab innerlichstes in edelster schauspielerischer Zucht, ein liebliches Bild und, mehr noch, eine Seele. Der Bruder Hermann Thimig und Eugen Klöpfer verkörperten mit hellen und dunklen Tönen gepeinigte Menschlichkeit. Thimig, herrlich in seiner Naivität, Klöpfer, dumpf und schwer, täppisch wie ein Troll. Und dann Werner Krauß, Fregoli des Leibes und [der] Seele, ein Dämon, der aus fünf verschiedenen Gestalten lacht, höhnt, wehklagt, stöhnt. Die Materie, die immer die Erscheinung wechselt und doch immer gleich bleibt, hier in diesen fünf Figuren hat sie Sprache gefunden.

Berliner Volks-Zeitung. 14. Dezember 1921


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