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»Gelächter« und »Heiterkeit«
Der Jux in der Politik

Herr Lloyd George, Englands löwenmähniger Premier, kann nicht nur poltern, sondern auch scherzen:

»Er (Dr. Simons) hat sich Stein und Bein darüber beschwert, daß er nicht die ganze Rechnung bekommen hat. Nun, er wird sich nicht darüber freuen, wenn er sie bekommt.«

An dieser Stelle verzeichnet der Bericht: Gelächter! Ein weiterer Satz von ähnlich humorigem Gehalt wird ebenso vergnüglich aufgenommen. Der Jux geht zwar auf unsere Kosten, aber wir wollen nicht nörgeln. Wie angenehm würde sich solche Scherzhaftigkeit auf einem Ärztekongreß ausnehmen, wenn ein schmunzelnder Redner einem angenehm erheiterten Auditorium über die Zunahme der Sterblichkeit durch Tuberkulose oder Hungerödem berichten wollte ...

*

»Wir stehen vor dem allerschlimmsten Winter, wir werden in den nächsten Monaten alle unsere Nerven verlieren«, so etwa sprach ein Delegierter auf dem letzten Parteitag der Sozialdemokratie. In der sozialdemokratischen Presse war damals zu lesen, daß auf dieses Krächzen eines Unglücksraben die Versammlung mit »großer Heiterkeit« antwortete. Mag sein, daß der Redner sich durch irgendeinen nicht alltäglichen Dialekt auszeichnete, – aber man muß doch die Herrschaften, die durch die bloße Erwähnung des kommenden Winters in solche Ulkstimmung versetzt wurden, um die gute seelische Konstitution beneiden.

Es ist überhaupt eine eigenartige Sache mit den Gemütsbewegungen im parlamentarischen Leben. Der Laie wird sich oft wundern, wie anspruchslos die Herren vom Bau sind, mit wie überaus billigen Witzen man sie nahezu enthusiasmieren kann. Ein Beweis für die unendliche Trübseligkeit des politischen Infernos, dessen Opfer vor Wonne außer Rand und Band geraten, wenn einer der ihrigen der trostlosen Profession eine fidele Seite abgewinnt.

Eine besondere Rolle spielte der Appell an die Lachmuskeln in den Versammlungen während der Kriegszeit. Ich entsinne mich eines jener wandernden Rhapsoden des Alldeutschen Verbandes, den man damals, sehr zu Unrecht, Politiker nannte und dem man vorher behördlicherseits eingeschärft hatte, gewisse Persönlichkeiten ganz ungeschoren zu lassen. Der Saal war übervoll; die beiden ersten Reihen hatten die blechbehangenen Größen vom Generalkommando inne, die vermutlich der Kontrolle wegen erschienen waren. Hin und wieder nannte der Redner den Namen des Herrn von Bethmann Hollweg, und dann machte er jedesmal eine Pause und sandte flehende Blicke zum Plafond empor. Und dann fegte regelmäßig die Lachlust wie ein Orkan durch den Saal und warf das ganze Publikum (die Blechbehänge nicht ausgenommen) hemmungslos unter die Bänke.

*

Lloyd George findet den Gedanken an die Deutschland zu präsentierenden Forderungen komisch. Vielleicht weiß er nicht, wie sehr er recht hat. Aber es kann einmal der Tag kommen, da ein englischer Premierminister im hohen Hause zu Westminster sagen wird: »Mein verehrter Amtsvorgänger, Herr Lloyd George ...« und ein so unbändiger Heiterkeitssturm ausbrechen wird, daß der Speaker zur Abebbung der elementaren Wallung die Sitzung wird auf eine halbe Stunde unterbrechen müssen. Denn Lloyd George ist zwar ein großer Staatsmann, aber – wie alle großen Staatsmänner – vergänglich.

Spaß muß sein bei der Beerdigung ...

Berliner Volks-Zeitung. 13. Februar 1921


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