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Der billige Weihnachtsbaum

Man wird nur ungern auf den Christbaum verzichten: aber es ist alles so teuer. Wie kann man sich so billig wie möglich selbst den nötigen Schmuck herstellen, das ist die Frage. Man nehme – um im Stile des [Koch]buchs zu reden – die illustrierten Blätter, die sich im Laufe des [Jah]res angesammelt haben, schneide alle die Gesichter aus, die man besonders liebgewonnen hat, klebe sie auf Pappe und hänge sie an den Baum. Die Befestigung geschieht sehr einfach durch eine Schlinge um den Hals. Die Wirkung wird eine fabelhafte sein. Die freundlichen Rundungen von Kapp und Traub werden ein vollkommener Ersatz sein für die fehlende Opulenz des Weihnachtstisches. Die charaktervolle Schlankheit Herrn Noskes wird vorzüglich die Magerkeit seiner Amtszeit für die Deutsche Republik symbolisieren. Die Brüder Sklarz sind mit einem Etikettchen zu versehen, etwa: dem Tüchtigen steht die Welt offen oder dergleichen. Biertimpel strahlt heller als 20 Weihnachtskerzen, kommt noch Oltwig v. Hirschfeld dazu, ist der Glanz überwältigend. Helfferichs ausdrucksvolle Ohren werden den Kindern unbändiges Vergnügen bereiten und sicherlich als ornamentales Motiv bald Eingang ins Kunstgewerbe finden. – Aber die Spitze des Baums? Wer ist der Mächtige, dem dieser Platz gebührt? Papa Eberten ... Fehrenbach? Nein! Doch halt, ich hab's: – Escherich! Darunter vielleicht Kahr. Und ganz versteckt hinter Tannengrün: Ludendorff, daß man nur die Helmspitze sieht mit der Aufschrift: Ich komme wieder! – So kommst du billig zu einem stattlichen Christbaum und hast zu dem noch eine Fülle angenehmer Erinnerungen. Vergiß auch nicht ein paar Hakenkreuze!

Berliner Volks-Zeitung. 23. Dezember 1920


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