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»Sturm- und Drang-Bühne«

Gegen Versuchsbühnen ist nicht das mindeste einzuwenden, solange die Tat sich mit dem Namen deckt. Was man aber da im freundlichen, kleinen Roswitha-Saal verübte, das war, weiß Gott, schlimm. Heinrich Leopold Wagner, Zeitgenosse der Lenz und Klinger, aber nicht Genosse ihres Geistes und ihrer Begabung, wurde beschworen mit der Aufführung (und was für einer Aufführung!) der ironischen Voltaire-Apotheose, einer rein philologischen Angelegenheit, die durch moderne Verballhornung auch noch den letzten kulturgeschichtlichen Reiz verlor. Karl Hauptmanns »Genie und Gespenster«, ein Alterswerk von deprimierender Schwächlichkeit, sollte für den dramatischen Genius des kürzlich Verstorbenen zeugen. Wir wissen es, daß Karl Hauptmann, dieser verträumte Lyriker, lebelang sich redlich abgemüht hat, seiner Kunst, einer sanften Hirtenflöte, den dramatischen Parademarsch abzulocken. Die Aufführung war als Akt der Pietät gemeint. Auch bessere Schauspieler hätten damit nichts anfangen können. Seit wann aber ehrt man einen Verstorbenen, indem man gerade das Schwächste seines Werkes der mitleidlosen Zerfaserung ausliefert ...?

Berliner Volks-Zeitung, 3. März 1921


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