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Die Lehre der Geschichte

Im Jahre 9 nach Christi Geburt wurde das römische Heer des Quintilius Varus von dem Stamme der Cherusker, dessen Häuptling mit den Römern verbündet war, ins Innere des Teutoburger Waldes gelockt und dort dezimiert. Bis heute gilt diese Tat als ein Rekord deutscher Mannestugend; ein ragendes Denkmal ehrt den Hinterhaltstrategen, und er selber ist so etwas wie ein Nationalheiliger geworden.

Desgleichen der Große Kurfürst, der als Bravo im Dienste der verschiedensten europäischen Staaten gefochten hat und sich als Dank für seine Bemühungen von dem jeweiligen Brotherrn anständigen territorialen Zuwachs versprechen ließ. Als er einstmals in trüber Stunde die Konjunktur verkannte und an einen geriet, der stärker und schlauer war als er, da hob er tiefgekränkt die Schwurfinger und sprach die prophetischen Worte: »Möge aus meinem Gebein« usw.

Der General Yorck stieß mit der berühmten Konvention von Tauroggen Napoleon wirklich einen Dolch in den Rücken. Seine Tat wird von allen deutschen Historikern noch heute vorbildlich genannt, und wird deutsche Treue gerühmt, so fehlt niemals der Name Yorcks.

Und Bismarck jagte 1866 einen König und noch einige geringere Landesherrn zum Teufel und schlug die verwaisten Gebiete zu Preußen. Mit Recht sagt man deshalb noch heute, Bismarck habe sein ganzes Leben der Stärkung des monarchischen Bewußtseins gewidmet.

Aus solchen kleinen, bunten Steinchen setzt sich das zusammen, was man so die Geschichte eines Volkes nennt. Und alles, was menschlich am anfechtbarsten erscheint, wächst in diesem Zusammenhange zur nationalen Großtat und ist geschehen, einzig im Interesse der Gesamtheit.

Und deshalb wird mir merkwürdig schwül zumute, wenn ich daran denke, daß vor wenigen Wochen noch die Kommunisten in Mitteldeutschland die Parole ausgaben, doch die Sipo dahin zu bringen, daß sie Gewalt anwende und man dann sagen könnte, man sei provoziert worden.

Also, wenn ich daran zurückdenke, dann fühle ich deutlich, daß gegen den Siegeszug des Bolschewismus kein Kraut gewachsen ist. Denn hier haben wir es zu tun mit jener gleichsam unbewußten, jener naiven Schamlosigkeit, der für ein »großes Ziel« jedes Mittel recht ist, und die, wie die Geschichte lehrt, am Anfange jeder Bewegung stand, die sich schließlich doch durchsetzte.

Die Ketten des Besiegten sind nicht bequem, aber häufig ehrenvoll.

Berliner Volks-Zeitung, 9. Mai 1921


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