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Volksbühne »Die lange Jule«

Dem Andenken Carl Hauptmanns war diese Darstellung eines seiner älteren Stücke gewidmet. Der Gesamteindruck bedeutet eine Bestätigung aller Eigenschaften, die begeisterte Freunde einst an dem älteren Bruder Gerharts priesen, seine Noblesse, seine leise Verträumtheit, sein heißer Drang, über die Außenseite der Dinge hinwegzukommen. Nur eines läßt sich mit bestem Willen nicht konstatieren: – der dramatische Sinn, die Gestaltungskraft. Eine heldenhafte Anstrengung gewiß –, ein bloßer Lyrismus versucht, über seine Schranken hinauszukommen und sich dramatische Gebilde abzutrotzen. Aber wie gleichgültig läßt letzten Endes diese Bauerntragödie, dieser Kampf der langen Jule um ihr Vatererbe: wo es laut wird und diese bäuerlichen Menschen gegeneinander wüten sollen wie entfesselte Elementargeister, da ist es nicht Kraft, sondern Krampf. Carl Hauptmann hat als Erzähler sein Bestes gegeben; als Dramatiker erscheint er wie eine dünnblütige Edition seines Bruders. Welch ein Papierdeutsch diese Söhne Schreiberhaus reden. Wirklich, Bauern, die von der »dürren Knochenhand des Todes« sprechen oder sich selbst bezeichnen als eine »Stimme aus dem Finstern«, sind nicht, wie des Dichters Freunde nachrühmen, mit Natur gesättigt, sondern mit mittelmäßigen Feuilletons.

Edgar Klitsch hatte als Regisseur für sehr stimmungskräftige Bilder gesorgt. Die öden Partien der beiden ersten Akte hat auch er nicht überwinden können. Am stärksten wirkte der dritte Akt, in dem männliche und weibliche Sinnlichkeit miteinander ringen. Da war Johanna Koch-Bauer, sonst durch den Dichter behindert, vollkommen frei und schuf ein Stück echten Menschenlebens, eine ältere und härtere Schwester der Rose Bernd, während Ernst Stahl-Nachbaur dem Schuster Dreiblatt mit sehr viel Gelingen die Züge des Waldschratt verlieh. Sonst seien noch Julius Sachs und Harry Berber hervorgehoben.

Berliner Volks-Zeitung, 13. Juni 1921


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