Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

112

Der Militarismus in Amerika

In der Deutschen Friedensgesellschaft machte vor kurzem Dr. John Mez, der während des Krieges in Amerika geweilt hat, bemerkenswerte Ausführungen über den neuen U.S.A.-Militarismus. Wie der Redner ausführte, ist der Rüstungstaumel und der Glaube an die gepanzerte Faust drüben heute so stark, daß es zweifelhaft erscheinen muß, ob das alte Amerikanertum mit seinen freiheitlichen und pazifistischen Überlieferungen schließlich die Oberhand behalten wird. Die großen Zeitungen werden von kapitalistischen Syndikaten aufgekauft, die auch das Papier dermaßen verteuern, daß es der oppositionellen Presse, die schon durch behördliche Maßnahmen genügend schikaniert wird, kaum möglich ist, sich zu halten. Der neue Präsident Harding, ein unbedeutender und stockreaktionärer Politiker, hat während der Wahlkampagne aufs unbedenklichste chauvinistische Leidenschaften ausgespielt und schwärmt für immer weitere Flottenrüstungen. Die Opposition wird in unglaublicher Weise unterdrückt. Die Presse- und Versammlungsfreiheit ist aufgehoben. Mit den sehr zahlreichen Dienstverweigerern während des Krieges ist nach echten Wildwestrezepten verfahren worden. Man hat die Unglücklichen in Internierungslagern mit kalten Wasserstrahlen behandelt, an Eisengittern hochgewunden und stundenlang dort hängen lassen, oder lange Zeit in feuchten Zisternen gehalten. Skorbut und Lungenschwindsucht räumten unter den Opfern furchtbar auf. Dennoch haben viele junge Leute, namentlich aus studentischen Kreisen, alle Leiden tapfer auf sich genommen und nicht nachgegeben. Ein lebhafter Bekämpfer dieser Entwicklung zur Barbarei ist der in Deutschland oft falsch eingeschätzte frühere demokratische Staatssekretär Bryan gewesen.

Berliner Volks-Zeitung, 6. Februar 1921


 << zurück weiter >>