Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

283

Auburtin: »Das Suppenhuhn«
Kammerspiele: Lessing-Museum

Victor Auburtin gehört zu den vier, fünf Menschen in Deutschland, die es verstehen, ein Stück Erfahrung, ein Stück Lebensweisheit in eine knappe, graziöse und niemals langweilige Form zu bringen. Als Mann von Geschmack wurde er nicht Philosoph, sondern Feuilletonist.

Wenn von einem Schriftsteller solcher Art eine Komödie angekündigt wird, so weiß man von vornherein: dramatische Explosionen werden ausbleiben, aber ein Ausschnitt aus dem großen Gekribbel unseres Erdensterns wird fest und ohne Zimperlichkeit gepackt und in eine leicht ironische Beleuchtung gerückt werden.

Es ist eine Bauernkomödie. Aus »Hinterpommern«. Aber trotzdem die Stolpe wiederholt erwähnt wird, es ist ja nur ein imaginäres Hinterpommern, nur der Name für ein Stück ländlicher Barbarei. Es gibt einen Bauern, der hinter den Mägden her ist, einen Knecht, der hinter den Mägden her, und einen Pastor, der gleichfalls hinter den Mägden her ist. Fuselduft und primitive Morallosigkeit, es ist nicht besonders appetitlich, was sich in diesem Milieu abspielt, und der Autor scheint mit einer dezenten Handbewegung zu sagen: so sind sie, die Menschen mit den »ungebrochenen Instinkten«. Sind die, dahinten in ihrem Kaff, besser als wir Spätlinge der Kultur, wir Blasierten und Bildungsbelasteten?!

Der Regisseur Herr Runge nahm Auburtins »Hinterpommern« naturalistisch; anstatt das Werkchen auf den verhaltenen Hohn des satirischen Gleichnisses zu stellen, holte er Kraßheiten heraus und ließ die Akteure und Aktricen entweder schreien oder faustdick karikieren. Zudem tönt in diesem kleinsten Theaterraum Berlins alles ohnehin überlaut, und löst jede übertriebene Geste Dissonanzen aus, die nachher Intimität der Stimmung nicht mehr aufkommen lassen. Am erfreulichsten war Herr Wolf Trutz als versoffener und mehr als weitherziger Landpastor. Auch Fräulein Clavsee wahrte eine einigermaßen menschenähnliche Linie. Den anderen Herrschaften kann bestätigt werden, daß sie leider im Kampfe gegen ihre Rollen Sieger blieben.

Berliner Volks-Zeitung, 7. Dezember 1921


 << zurück weiter >>