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Ordnung muß sein!

Ein Leser schreibt uns, daß er jüngst den folgenden Vorgang beobachtete:

Ein Ehepaar, das einen ärmlichen, mit Holz beladenen Handwagen zog, passierte den Kemperplatz, der Vorschrift entgegen, links vom Denkmal, und hielt auf die Viktoriastraße zu, ohne daß dieses Versehen eine Verkehrsstörung hervorgerufen hätte. Da entdeckte der Posten der Schupo das frevelhafte Fuhrwerk, und sofort hieß er die Leutchen umkehren und nochmals, nun aber rechts, um das Denkmal fahren.

Der Mann der Schupo handelte ohne Zweifel korrekt. Ebenso korrekt wie einst die Kasernengewaltigen, die die Fußböden mit Zahnbürsten schrubben ließen, da über das Format der in Frage kommenden Bürsten in keinem Reglement Vorschriften enthalten waren.

Ordnung muß sein! Das sagt nicht allein der Vormund, der Mündelgelder unterschlägt, solange man ihn noch nicht ertappt hat. Das ist auch der Sinn der ewigen Vorsehung, die über den Wolken waltet, auf daß nicht ein Komet dem anderen ein Loch in den Kopf stoße. Und das ist auch der Sinn des grünen Mannes am Kemperplatz.

Aber die Ordnung muß reguliert werden durch den Geist der Nachsicht und nicht durch den Geist der Quälerei. Wo sie getrübt wird durch Gereiztheit, Übellaunigkeit oder sonstige menschliche Affekte, da verwandelt sich die segensreiche Himmelstochter in eine häßliche Megäre.

Die Ordnung ist notwendig, aber nicht schön. Frauen, die nicht schön sind, gibt man die Weisheit auf den Weg, durch angenehmes Wesen das zu ersetzen, was die Natur ihnen an Reizen versagt hat.

Berliner Volks-Zeitung, 4. März 1921


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