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Der Cato von Miesbach

Wir haben schon wiederholt Veranlassung gehabt, unsere Leser mit Zitaten aus dem »Miesbacher Anzeiger« zu entzücken. Dabei leitete uns nicht der Wunsch, für diese Auchzeitung Reclame zu machen, deren Ruppigkeit kaum noch von der »Deutschen Zeitung« übertroffen wird – selbst Herr Erich Schlaikjer bleibt um etliche Knoten zurück – sondern um ein Bild zu geben von der schrankenlosen Verhetzung gegen das neue demokratische Preußen, die von den Vorstehern der bayerischen »Ordnungszelle« toleriert wird. Deshalb darf man das Geschimpfe des geschätzten »Miesbacher Anzeigers« leider nicht mit einem Achselzucken als die Expektorationen eines Provinz-Käseblattes abtun. So unendlich läppisch das alles klingt, bedenkt man, daß etliche tausend Leser außer diesem Blatte kein anderes in die Hand bekommen, so verliert die Angelegenheit den humoristischen Anstrich. Auf primitive und politisch in keiner Weise mit Aufklärung behaftete Gemüter muß diese ständige Weisheit katastrophal wirken. Raffiniert ist ohne Zweifel auch die forcierte Volkstümlichkeit der Sprache mit ihren dialektischen Anklängen, welche allerdings dem Kundigen verraten, daß das publizistische Ingenium von Miesbach an der Panke bodenständiger ist als an der Isar:

Eppa werd jetzt da Peter's kemma,
Eppa werd er ins d' Waffen nehma,
Eppa kriagt er an Dreck.
Eppa roast er wieder weg.

Oder: »Der Kaiser Koarl versucht König von Ungarn zu werden ... daß aber ausgerechnet der Weaner Schlawiner Koarl ... sich einbildet, noch einmal sich eine Krone auf den Döskopp zu stülpen, das zeugt wirklich von einer gottgewollten Dummheit«. Den Hauptteil nehmen Beschimpfungen gegen die Reichsregierung ein: selbst der Vizekanzler Dr. Heinze, der doch gerade nicht als Petroleur verrufen ist, steht im Verbreitungsgebiet dieses angenehmen Preßorgans in einem blutroten Feuerschein da. Der Rechtssozialist Gareis, auch kein Jakobiner, avanciert zum »typischen Geisteskranken der Umsturzzeit«. Daß an der Saale Aschantis wohnen und mit den braven Bayern dort die Menschlichkeit wieder einzieht, versteht sich ganz von selbst. Ebenso, daß Hörsing Leben und Eigentum der Bürger den Verbrechen preisgab, daß er Mord, Brandstiftung, Totschlag, Raub für straffrei erklärt hat, daß er die Mörder und Räuber vor polizeilicher Verfolgung gesichert hat. Und die Schlußfolgerung, daß dieser »Prolet« Hörsing, dieses » Parteigeschöpf, das nie eine Pflicht kennen gelernt hat«, aus dem Berlin von heute kommt.

Das ist alles komplette Verrücktheit, gewiß, aber es steckt System darin. Was die Münchener mehr-offiziösen Zeitungen sachlich nicht weniger verlogen, aber in der Form etwas vorsichtiger verbreiten, das wirft der Cato von Miesbach täglich durch keine Rücksicht gebunden unters Volk. Man ist gewohnt, daß Hetzartikel mit dem Besenstiel geschrieben werden; dieser edle Publizist jedoch hat vor den Kollegen das eine voraus, daß er mit der Mistforke schreibt und daraus keinen Hehl macht. Es ist müßig, Betrachtungen anzustellen, über die Person des Skribenten: der Bajuvare mit dem bierehrlichen Namen, der verantwortlich zeichnet, kommt sicherlich nicht in Frage. Die ganze Taktik, die hemmungslose Tonart, die Gewandtheit, die Wahrheit umzubringen, alles das verweist auf einen beschäftigungslos gewordenen Ludendorffschen Nachrichtenoffizier. Und das ist die ernsthafte Seite dieser Angelegenheit. Die Säuberung der Provinzpresse sollte eine wesentliche Aufgabe des demokratischen Deutschlands sein. Noch ist auf diesem Gebiete nichts geschehen. Noch tröstet man sich mit der vagen Hoffnung, es müßte selbst der handfeste Miesbacher einmal in seiner eigenen Seuche ersticken. Ein Ereignis, das bei solcher Konstitution niemals eintreten wird.

Berliner Volks-Zeitung. 5. April 1921


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