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Das Hecker-Lied

In einem der noch viel zu wenig bekannten Anekdotenbücher Wilhelm Schäfers befindet sich die folgende Geschichte:

»Als Friedrich Hecker, der Führer des badischen Aufstandes von 1848, nach dem Gefecht von Kandern in die Schweiz flüchten mußte, wurde ihm unterwegs, während kurzer Rast in einer Waldkapelle Pferd, Mantel und der berühmte Hecker-Hut von einem Landstreicher gestohlen. Das ist sehr peinlich für einen Flüchtling, auf dessen Kopf ein Preis gesetzt ist. Auf Schusters Rappen gelangt der Fliehende glücklich bis zum Grenzort – aber die Rheinbrücke ist militärisch besetzt. Wie er nun im Wirtshaus sitzt und in nicht gerade rosiger Stimmung seinen Käs verzehrt, wird der Stromer, der ihn so arg bestohlen, durch den Ort geführt und auf Grund des verräterischen Hutes als ›Friedrich Hecker‹ im Triumph ins Spritzenhaus gesteckt. Der echte Hecker aber erwirbt von den Soldaten das für ihn so kostbare Pferd für acht Gulden und die noch viel wichtigere Zusage, durch die Wachtposten an der Brücke geleitet zu werden. Und während der Bannerträger der kurzen deutschen Freiheit über die rettende Brücke ins Exil reitet, stimmen die angetrunkenen Soldaten, hochbeglückt durch die acht Gulden, jenes saftige Lieblingslied der damaligen Revolutionäre an, das für allezeit den Namen Heckers führt:

Schmeißt die Konkubine aus dem Fürstenbett,
schmiert die Guillotine mit dem Fürstenfett...

Dem Hecker aber kommen vor Wut und Schmerz die Tränen hoch; und so schleicht der Führer der Revolution aus Deutschland, hinter sich die biederen Soldaten, die die Freiheit niedergebüttelt haben und doch aus ganzem Herzen das Lied der Freiheit singen.«

Warum ich diese vergessene Geschichte wieder aufwärme? Weil darin eine sehr aktuelle Symbolik liegt.

Ihr lieben Bürgersleute, die ihr über schlechte Zeiten stöhnt und über Steuern und hohe Preise und daß Deutschland alles bezahlen müsse, und dann hingeht und deutschnational wählt und dann nach Hause geht und weiterschimpft – seid ihr nicht aus ähnlichem Holze geschnitzt wie diese freundlichen Tyrannenknechte, die mit dem Hecker den Handel abschlossen und nachher nicht begriffen, warum er so traurig und zornig wurde?! Nur mit dem einen Unterschied: daß für euch bei dem Geschäft nicht ein Heller herauskommt, geschweige denn acht Gulden!

Berliner Volks-Zeitung, 26. Februar 1921


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