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Lustspielhaus: »Peter Brauer«

Maler Klecksel ins Tragische gesteigert. Peter Brauer ist ein guter Kerl, aber ein sehr schlechter Musikant. Ein Nichtskönner, der sich in ein zweites Leben hineinduselt, ein Bönhase, der in den Grenzbezirken der Kunst herumstümpert und, nachdem er zum ersten und einzigen Male über den Vorhof hinausgelangt ist, mit Hohngelächter hinausgetrieben wird. Er wird sicherlich nicht daran sterben; er wird, um leben zu können, eine neue Lüge suchen und wird sie finden.

Die Ibsen-Luft der neunziger Jahre lebt in diesem nunmehr ausgegrabenen Werke Gerhart Hauptmanns aus dem Jahre 1911. Reminiszenzen an den weit stärkeren Crampton und an Hjalmar Ekdal. Im Gegensatz zu früheren Hauptmann-Werken entbehrt dieses Stück des straffen Aufbaues. Es sind Längen und Wiederholungen darin, die ruhig der Heckenschere des Dramaturgen zum Opfer fallen könnten. Dafür entschädigt die wundervolle, lebensechte Zeichnung der Hauptpersonen. Dieser gute, dicke Lebenslügner Peter Brauer, dieser Sancho Pansa als Don Quichotte, wird ganz gewiß in kurzer Zeit die ganze deutsche Bühne erobert haben.

Die Aufführung im Lustspielhause unter Heinz Saltenburgs Regie war bei manchen Unausgeglichenheiten, die sich bei den Wiederholungen von selbst aufheben werden, eine vorzügliche. Jacob Tiedtke, dieser wunderbare Menschendarsteller, den also der Film doch noch nicht endgültig verschluckt hat, setzte aus tausend Nuancen ein rundes, einheitliches Charakterbild zusammen, wie wir es seit Schildkrauts Zeiten kaum auf einer Berliner Bühne sahen. Zu nennen wären noch mit Auszeichnung: Arthur Bergen, der gläubige junge Sohn, Paul Biensfeldts und Hermann Vallentins bösartige Karikaturen, lächerliche Höllengeister, dem Wehrlosen zur Peinigung gesandt. Albert Paul als alternder Grandseigneur und Alfred Haase, meisterhaft in der Zeichnung eines vor lauter Naivität und Gutherzigkeit ewig stotternden Landjunkers.

Es ist verdienstlich, daß Direktor Saitenburg sich um das Komödiengut kümmert, das bei uns am Wege liegt, trotz der abgedroschenen Redensart, daß den Deutschen die Begabung zur Komödie fehle. Bitte, nicht bangemachen lassen!

Berliner Volks-Zeitung, 2. November 1921


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