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Hofmannsthal: »Der Schwierige« Kammerspiele

Dem Hugo v. Hofmannsthal hat kritische Gründlichkeit nun schon so oft bewiesen, er sei kein Dramatiker, daß es an dieser Stelle ausdrücklich unterlassen bleibe. Dramatiker hin, Dramatiker her, wenn ein Dichter von solcher Einfühlungskraft und so erlesenem Kunstverstand seine Figuren auf die Szene schickt, dann ist es allemal eine Köstlichkeit zu lauschen. Zu schauen gibt es nicht viel, Gott sei Dank, die Kulissen wackeln nicht, aber den Ohren tun so kultivierte Laute unendlich wohl. Ein Stück aus der guten Gesellschaft, aber von einem, der selbst allerbeste Gesellschaft bedeutet.

Es geschieht nicht Überwältigendes. Es wiederholen sich alltägliche Ereignisse. Die Herren umschwärmen die Damen, und diese wieder sind sich nicht recht über ihr Herz im reinen. Die Handlung ist nebensächlich. Aber wie diese Menschen miteinander sprechen, wie sie sich entweder entschleiern oder verstecken, das hat einen inneren Glanz und eine Vornehmheit, wie sie auf unserer Schaubühne sonst vergeblich zu suchen ist und aufs schönste beweist, wie man ein Konversationsstück auch ohne Tricks und ohne Pariser Technik vor der Klippe der Langeweile bewahren kann.

Unter Herrn Reichs Regie wurde Tüchtiges geleistet. Edthofer ist ganz der Mann für solche stillen und etwas problematischen Kavaliertypen, während Hermann Thimig gerade durch seine Problemlosigkeit erquickt. Erich Pabst stellte einen eitlen Posener hin, und Herr Schwannecke, sehr komisch, einen zärtlich besorgten Hahnrei. Fräulein Christians ist als große Dame immer am rechten Platze; daß sie nicht nur Kleiderpomp zeigte, sondern Umrisse der Seele, sei gern vermerkt. Nur Frau Thimig raubte durch starre Manie einer zarten Mädchengestalt alles Leuchten und brachte in das freundliche Wiener Geplausche einen höchst unangebrachten Zug von Hysterie.

Berliner Volks-Zeitung. 1. Dezember 1921


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