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Kammerspiele: »Der Hühnerhof«

Der Abend begann mit einer leidlich unterhaltsamen französischen Farce und endete als Modenschau.

Herr Tristan Bernard gehört zu jener ehernen Legion Pariser Schwankautoren, deren Schaffen im Genius des Spitzenhöschens steht. Zudem verfügt er noch über eine maßvolle Dosis Witz. Wovon gestern abend leider nicht viel zu spüren war. Diese Sexualaffäre, die sich »Der Hühnerhof« nennt, handelt von einem Chanteclair im Frack, der seiner Aufgabe, drei Frauen zu versorgen, dauernd nicht gerecht werden kann und deshalb nach ländlicher Zurückgezogenheit trachtet. Selbstverständlich, daß dieser löbliche Vorsatz fortwährend durch das unvermutete Erscheinen eines weiblichen Wesens durchkreuzt wird. Herr Edthofer spielte den aus Gesundheitsrücksichten zum Philosophen gewordenen Don Juan mit sehr viel Laune. Sein Gegenspieler, Herr Thimig, ergötzte außerordentlich in der Rolle eines mit zehntausend Volt erotischen Verlangens Geladenen, der nach drei Körben, schließlich desperat geworden, die brave, alte Tante – Frau Kupfer – attackiert.

Stephan Großmann hat jüngst so nett über das neueste französische Lustspiel geplaudert. Warum sieht man dergleichen nie? Warum wird immer gerade das Fadeste übersetzt? Denn matt war die Geschichte. Nach einem verheißungsvoll unanständigen Auftakt erlahmt die Kraft des Autors ebenso wie die seines Helden.

Die Regie führte Iwan Schmith. Die Kostüme lieferte das Modellhaus Becker, die Hüte die Firma M. Gerstel. Das war die Attraktion, und dem galt der lebhafte Schlußapplaus. Es war wirklich eine Augenweide.

Zu bemerken wäre noch, wie die kostbaren Roben getragen worden. Von Fräulein Denera mit Naivität, von Fräulein Christians mit Nonchalance und von Frau Arbenina mit Raffinement ...

Berliner Volks-Zeitung, 4. Oktober 1921


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