Heinrich Pestalozzi
Lienhard und Gertrud
Heinrich Pestalozzi

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150.
Jakob Christoph Friedrich Hartknopf, der Ehegaumer und Stillständer von Bonnal, wird fuchswild gemacht.

Das Geschwätz in den Bänken war so laut, daß der Junker es sah, und merkte, daß das Volk seinen Unwillen über die armen Sünder, die vor ihm knieten, zu äußern anfing.

Junker. Ich wollte gerne, ich könnte denken, daß die übrigen in den Bänken viel besser seien als diejenigen, die vor mir stehen; aber es ist mir leid, daß ich sagen muß, daß es oben und unten im Dorf und in allen Ecken gleich stehet, und daß fast kein Haus im Dorfe ist, in dem nicht Kärste, Seile, Säcke und dergleichen Sachen, die ins Schloß gehören, versteckt sind. Und ich weiß, daß sogar der eine und andere von euch da vor meinen Augen in einem Rocke steckt, der mit Kornsäcken ab meiner Schütte gefüttert ist.

Diese Worte waren ihm kaum aus dem Munde, so legte der Hartknopf seinen Rock über die Hosen zusammen, daß man das Futter davon fast nicht mehr sehen konnte, und ward feuerrot. Es war aber so auffallend, daß es seine Nachbarn links und rechts merkten, und ihm vorne und hinten die Zipfel umkehrten, das Futter zu sehen. Er war wie rasend, und er wußte auch warum; denn sie fanden ihm bald wirklich in einem Zipfel das Schloßzeichen am Futter. Darüber entstand ein so lautes Gelächter um ihn her, daß Arner fragen mußte, was es sei.

Der Hartknopf hat das Schloßzeichen im Rockfutter, rief einer überlaut.

Hartknopf. Ich habe das Futter schon vor zehn Jahren gekauft.

Aber das Schloßzeichen ist von den neuen Säcken, die keine fünf Jahre alt sind; die alten Säcke hatten nur Striche, rief wieder einer aus den Bänken.

Junker. Wenn ich du wäre, so würde ich den Rock jetzt heim tragen, damit es still würde.

Hartknopf. Gar gerne; aber ich habe ihn einmal nicht gestohlen.

Junker. Es kann nicht fehlen, daß das Tuch rechtmäßig in deinen Händen ist; denn du kennst das Schloßzeichen nicht.

Hartknopf. Ich weiß nicht, was der Schneider mir für Zeug zum Futter genommen hat.

Junker. So, der Schneider hat dir also das Futter dazu gegeben?

Hartknopf. Ja wahrlich, gnädiger Herr.

Junker. Was für ein Schneider?

Der Hartknopf besinnt sich. Ich weiß nicht, ich kann es nicht mehr sagen; doch wohl – der von Wylau hat mir den Rock gemacht.

Junker. Ist es wahr? muß ich ihn kommen lassen?

Hartknopf. Ja, er ist tot.

Junker. So? aber ist der Schneider von Bonnal, der hier ist, nicht dein Gevattermeister?

Hartknopf. Das wohl; aber er hat darum den Rock nicht gemacht.

Junker. Er ist also vergebens so rot geworden, seitdem von deinem Rocke die Rede ist? Aber ich mag weder seine noch deine Verantwortung anhören; was ich jetzt am liebsten sähe, ist, wenn du mit deinem Rock abziehen würdest, damit es stille würde.

Der Hartknopf ging jetzt. Aber an der Kirchgasse wollte ihn der Wächter nicht weiter lassen, und da er nicht mit dem Wächter zurückgeben wollte, den Junker zu fragen, ob er ihn heimlassen dürfe, so mußte er beim Wächter warten, bis die Gemeinde zu Ende war.

Er setzte sich unter des Kienholzen großen Kirschbaum, erzählte dem Wächter sein Unglück, und bat ihn um eine Pfeife Tabak, weil er die seinige im Verdruß auf der Bank habe liegen lassen.


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