Heinrich Pestalozzi
Lienhard und Gertrud
Heinrich Pestalozzi

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

112.
Die Ungleichheit dieser Wirkungen des bösen Gewissens bei geschäftserfahrnen Leuten.

In der größten Angst aber waren die Herren Vorgesetzten, und diese versuchten es nach und nach, auf eine andere Weise von diesem schlimmen Handel zu reden.

So ein Ketzer könnte ein ganzes Dorf unglücklich machen, sagte Nachbar Kienholz zu seinem Nachbar Kalberleder.

Kalberleder. Es ist vielleicht kein Mensch im Dorf, mit dem er in den zwanzig Jahren, seit er Vogt ist, nichts Krummes gehabt hat, und um seinetwillen wird doch hoffentlich nicht die ganze Kirchhöri mit ihm unter den Galgen gehen müssen.

Kienholz. Du Narr, das ist eben der Vorteil, daß er darunter gestanden ist.

Moosbauer. Ja, bei Gott! das ist wahr; man ist jetzt nicht mehr schuldig, sich mit ihm einzulassen.

Und es war, wie wenn dieses Wort den Bauern das Herz weit machte. Auf einmal ging ihnen der Mund auf, und alle, alle waren der Meinung, und behaupteten laut: weil er dem Henker unter den Händen gewesen, so seien sie nicht mehr schuldig, sich mit ihm einzulassen, er möge über sie sagen, was er wolle.

Der Hügi aber, der nie ein Narr war, sagte nach einer Weile: Ihr habt wohl recht, daß ihr das Lied also singet, und ich will es gerne mit euch singen; aber es wäre doch immer besser, wir könnten machen, daß er den Mund überall halten würde.

Das kann ein Narr sagen, erwiderte der Kalberleder, aber wie ihm das Maul stopfen? das wäre etwas anderes. – Ich meine mit Brot, sagte der Hügi.

Und im Augenblick waren ihrer viele der Meinung: ja, man müsse trachten, ihm den Mund mit Geld und Brot zu stopfen, bis er schweige. Zwar waren auch einige dawider, und der geizige Rabserbauer rief überlaut, er wolle nichts von dem hören. Aber der Kienholz und die andern antworteten ihm: Du wirst wohl davon hören müssen! Und man war in des Kienholzen Stube bald einig; man müsse mit allen Vorgesetzten und größern Bauern deswegen Rat halten. Der Kienholz sandte nun den Ständlisänger Christen, der eben vor den Fenstern Maulaffen feil trug, eilends im Dorfe herum, und innert einer Stunde war alles, was im Dorfe etwas zu bedeuten hatte, beieinander.


 << zurück weiter >>