Heinrich Pestalozzi
Lienhard und Gertrud
Heinrich Pestalozzi

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132.
Lips Hüni, ein Wächter.

Die Schelmenbande hatte es schon am Abend erfahren, daß der Pfarrer ihn diese Nacht heimlassen wolle. Sie ließen darum den Vogt, wenn er wieder zurückkehren sollte, aufpassen vor seinem Hause, damit sie sicher wissen und sagen könnten, der Pfarrer lasse ihn machen, was er gern wolle, damit er ihm sage, was er gern höre. Lips Hüni war von ihnen zum Wächter bestellt worden; und er trank bis am Morgen um drei Uhr hinter dem Ofen beim Kalberleder, der zunächst beim Vogt wohnte, Gebranntes. Nachdem es drei Uhr geschlagen, machte er sich dann hinter den Hag, nahe bei des Vogts Tür, und wartete so bis um fünf Uhr, da der Vogt heraus kam. Da kroch er ihm auf allen vieren hinter dem Hag den Weg vor, und verbarg sich hinter des alten Leutholden Nußbaum an der Kirchhalde, wo jener hart an ihm vorbei gehen mußte; und rief ihm da plötzlich hart an die Ohren: Behüte uns Gott, und segne uns Gott! was ist das? Der Vogt fuhr einen Augenblick zurück, sah den Kerl, welcher den Kopf hinter dem Baum hervorstreckte, und sagte zu ihm: Was gibt es da? was willst du? Der Hüni kam jetzt hinter dem Baume hervor, sah dem Vogt mit einem hämischen Gesichte scharf in die Augen, und sagte: Bist du es, Vogt? oder bist du es nicht? Ich glaubte, du steckest im Loch, und jetzt bist du auf der Straße.

Der Vogt merkte am Branntwein, der ihm zum Maul herausstank, und an allem, daß er nicht für ihn, sondern für andere das Maul auftue, und sagte zu ihm: Wie viel hast du Lohn, daß du mir hier aufpassest?

Das will ich dir ein andermal sagen, antwortete der Hüni. Aber höre, Vogt, wenn du kein Gespenst bist, so sage mir, was tust du hier? Gelt, du willst dich im Nachtwandeln üben, damit du, wenn du es einst tun mußt, es wohl könnest? Vogt, wenn ich es erlebe, so will ich dir dann alle Fronfasten zusehen. Ich weiß deinen Hauptweg zum voraus. Er gehet vom Markstein zum Galgen und vom Galgen wieder zum Markstein.

Solche Bosheiten rief ihm der Hüni durch alle Gassen nach, bis er im Pfarrhofe war, so daß jedermann, der schon aufgestanden war, ans Fenster kam, um zu sehen, was das für ein Lärm sei.


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