Heinrich Pestalozzi
Lienhard und Gertrud
Heinrich Pestalozzi

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117.
Die Fahne dreht sich.

Wie es aber dann geht, wenn man Narrheiten und Bosheiten zu weit treibt, es gab Leute, die merkten, was hinter diesem steckte.

Der Vorgesetzte Renold, und ein paar andere Ehrenleute sagten laut, man rede und tue da Sachen, die fehlen könnten, und die nicht recht und brav seien; sie hätten in ihrer Jugend den Katzenschwanz auch gezogen, wie des Maurers Kinder, und manchmal vor und nach dem Beten sich lustig gemacht; aber es wäre einer ihren Eltern nicht wohl angekommen, wenn er versucht hätte, aus solchen Kindersachen dergleichen Geschwätzwerk anzustellen.

Das machte so viel, daß der eine und andere anfing, sich in acht zu nehmen, was er rede. Es ging auch nicht mehr lange, so sagten gute Freunde dem Maurer und liebe Frau Basen der Gertrud, was man über sie ausstreue, und die Schnabelgrithe traf das Unglück, daß eine Nachbarin, die ihr gehässig war, sie bei dem Maurer verklagte, und sagte, sie schwatze von Morgen bis an den Abend bei jedermann, den sie antreffe, von dieser Historie.

Der Maurer war einen Augenblick so blaß als der Tod, da ihm die Frau dieses sagte, dankte ihr aber und lief dann spornstreichs und wie wütend vor das Haus der Schnabelgrithe, und klopfte mit seinem Zollstecken so hart ans Fenster, daß es ein Glück war, daß er das Holz getroffen, und keine Scheibe in die Stube fiel. Es war aber niemand im Haus, denn die Grithe stand bei dem Brunnen auf der Gasse. Er sah sie nicht; sie hingegen sah ihn, und erschrak, rief aber dennoch, da es so an ihren Fenstern rasselte: Was gibt's, was gibt's, Maurer?

Maurer. Bist du da mit deinem gottlosen Maul? du diese und jene! . . . Was hast du mit meinen Kindern, daß du so verfluchtes Zeug über sie herumtragen darfst?

Grithe. Was? was?

Maurer. Ich will dir zeigen was, was!

Die Speckmolchin, die auch da war, stupfte die Grithe, und sagte: Du mußt leugnen; es könnte sonst fehlen. Die andern Weiber aber, denen sie ihre Teufelshistorie eben in diesem Augenblicke wieder erzählt hatte, glaubten nichts weniger, als daß sie ihre Worte zurücknehmen würde. Sie hatte gerade eben jetzt sich verflucht und verschworen, daß sie dem Lumpen-Maurer und seiner Frau alle Worte ins Angesicht hinein sagen würde, wenn sie da ständen. Aber wie verwunderten sich die Weiber, da sie jetzt auf einmal anfing zu leugnen, und zum Maurer sagte, sie habe niemals etwas wider ihn gehabt, und wisse auch von seinen Leuten nichts als alles Liebe und Gute.

Nein, das ist doch vom Teufel! so muß mir's das Mensch nicht machen, sagte eine Renoldin, die dastand, zu den andern Weibern, und rief im Augenblick darauf dem Lienhard: Maurer, es ist doch wahr, sie hat es ja jetzt wieder erzählt!

Schweig doch! sagten die andern Weiber; was willst du dich darein mischen? Es geht ja dich nichts an.

Nein, ich will nicht schweigen, sagte die Renoldin. So eine könnte es ja morgen dir und mir und einer jeden so machen; und wenn es vor den Junker kommt, so will ich es ihr ins Gesicht sagen, daß sie es gesagt hat.

Das Wort Junker war ihr kaum zum Munde heraus, so sorgte die Speckmolchin für sich selber, und rief überlaut: Ich einmal habe nichts gehört und nichts gesagt; ich habe da mein Kraut gewaschen, und nichts geachtet, was vorgefallen.

Ich einmal habe auch nichts gehört, und nichts gesagt; und ich einmal auch nicht, sagten bald mehrere.

Es fragt euch ja niemand, sagte der Maurer, und drohte der Schnabelgrithe mit dem Junker.

Diese aber heulte, und bat, er solle doch nichts daraus machen.

Ja, aber da vor diesen Weibern mußt du bekennen und sagen, daß alles faul und falsch sei, erwiderte Lienhard.

Die Grithe murmelte und sagte stockend, es sei ihr leid, und es sei nicht wahr.

Maurer. Du mußt es laut sagen, so laut, daß die Leute, die in allen Häusern die Köpfe zum Fenster hinaus strecken, verstehen, daß du eine Erzlügnerin bist. – Ich weiß vor Zorn nicht, was ich sage. Du, du mußt mir heute noch durch alle Gassen laufen, und vor allen Häusern sagen, daß du alles erlogen und ersonnen hast.

Grithe. Tue doch nicht so! Ich will gerne tun, was du willst, und es ist mir leid.

Maurer. Leid oder nicht leid, das ist mir gleichviel; aber daß alles erlogen und ersonnen ist, das mußt du mir sagen, und das so laut und so deutlich, als es zum Halse herausmag.

Ob sie wollte oder nicht, sie mußte jetzt laut, daß es jedermann verstand, bekennen und sagen, daß sie alles, was sie über seine Kinder und über ihre Katze gesagt, ersonnen und erlogen habe; aber es tat ihr so weh, daß sie fast daran erstickte.


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