Heinrich Pestalozzi
Lienhard und Gertrud
Heinrich Pestalozzi

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138.
Der Vogt ist wieder in des Kienholzen Stube und dann auf der Gasse beim Weibel, der auf dem Rosse sitzt.

Der Vogt ging jetzt wieder zurück zu des Kienholzen Wohnung, und sagte den Vorgesetzten, es müsse ihm jetzt einer von ihnen helfen, weil der Weibel nicht da sei.

Aber es wollte keiner; und der Kienholz sagte zu ihm: Es ist gar viel besser, du machest diese Arbeit über acht Tage; denn sie freut uns gar nicht so wohl, daß wir dir dazu helfen möchten.

Der Vogt antwortete: Ihr wisset doch, wie der Junker ist, wenn etwas versäumt wird.

Sie ließen ihn aber reden, und sagten ihm kurz, sie hülfen ihm nicht.

Er hielt lange in allen Ecken an, aber es gab ihm keiner Gehör. Endlich gab ihm der Hügi den Rat: Wenn du das Verzeichnis doch haben mußt, und dir niemand helfen will messen und zählen, so laß du das Messen auch bleiben, und dir von jedem angeben, wie viel Heu und Vieh er noch habe. Dann hast du wenigstens getan, was du konntest.

Vogt. Aber ich will Heu und Futter beim Eid wissen.

Das versteht sich, beim Eid! sagten die Bauern, und lachten einander an.

Vogt. Ich will jetzt gerade anfangen; und ihr werdet doch auch alle zu Hause sein, wenn ich komme?

Wie sollten wir anders dürfen? antworteten einige, die just das Gegenteil im Sinn hatten.

Hügi. Nein, man muß hierüber nichts versäumen.

Es war aber gut, daß der Vogt diesen Fürsprech aus ihrer Mitte hatte; denn ihrer etliche hätten ihn sonst gewiß das Dorf zehnmal durchlaufen lassen, ohne daß er sie angetroffen hätte. So brachte er aber das Verzeichnis endlich zustande.

Beim Heimgehen traf er dann just noch den Weibel an, der vom Markt heimkam.

Dieser sagte ihm vom Roß hinunter: Was hast du da für eine Bürde Papier unter dem Arme?

Vogt. Ich wollte, dein Roß wäre heute vernagelt gewesen, damit du daheim geblieben wärest; du hättest mir notwendig helfen sollen.

Weibel. Worin?

Vogt. Ich habe das Heu und Vieh, das im Dorfe ist, aufschreiben müssen.

Weibel. Warum das? gibt es Krieg?

Vogt. Nein, nur wegen der Weide.

Weibel. So?

Vogt. Wenn du nur auch dagewesen wärest!

Weibel. Warum hast du es mir nicht am Morgen sagen lassen? Ich bin erst am Mittag fortgegangen.

Vogt. Ich bin auf Schlag zwölf Uhr selber zu dir gekommen, und habe es dir sagen wollen.

Weibel. Das ist doch fatal. Ich bin kaum um die Hausecke herum gewesen, so habe ich jemand klopfen, und mit meiner Tochter reden gehört. Gewiß bist du es gewesen.

Vogt. Daß du auch nicht umgekehrt bist!

Weibel. Es hat mir nicht geträumt, daß du es seiest, oder was du wollest, und du hättest mir ja nur pfeifen können.

Er konnte sich aber des Lachens fast nicht enthalten, und sagte: Mein Roß ist im Schweiß, es muß in den Stall.

Ich bin auch im Schweiß, sagte der Vogt; und sie gingen voneinander.


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