Heinrich Pestalozzi
Lienhard und Gertrud
Heinrich Pestalozzi

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29.
Fortsetzung, wie Schelmen miteinander reden und handeln.

Bist du auch unter den Sündern? Ich dachte, du seiest seit deinem Berufe an der Kirchmauer auf einmal heilig geworden, wie unser Metzger, als er einst eine Woche für den Sigrist Mittag läuten mußte.

Michel. Nein, Vogt, meine Bekehrung geht nicht so blitzschnell; aber wenn es einmal angeht, so lasse ich dann nicht nach.

Vogt. Ich möchte dann dein Beichtiger sein, Michel.

Michel. Ich mag dich aber nicht hiezu.

Vogt. Warum nicht?

Michel. Du würdest mir die Sünden wohl doppelt machen mit deiner heiligen Kreide.

Vogt. Wäre dir das nicht recht?

Michel. Nein, Vogt, ich will einen Beichtiger haben, der die Sünden verzeiht und nachläßt; und nicht einen, der sie aufkreidet.

Vogt. Ich kann auch Sünden verzeihen und nachlassen.

Michel. Sünden aus deinem Buche?

Vogt. Freilich, oft und viel muß ich es leider! Aber besser ist es, man halte sich, daß ich es gern tue.

Michel. Kann man das, Herr Untervogt?

Vogt. Wir wollen sehen. (Er winkt ihm.) Sie gehen miteinander ans kleine Tischlein an der Ecke beim Ofen, und der Vogt sagt: Es ist gut, daß du da bist; es kann dein Glück sein.

Michel. Ich habe Glück nötig.

Vogt. Ich glaube es; aber wenn du dich anschickst, so fehlt es nicht, du machst Geld auf deinem Posten.

Michel. Aber wie muß ich das anstellen?

Vogt. Du mußt dich bei dem Maurer einschmeicheln, und recht hungrig und arm tun.

Michel. Das kann ich, ohne zu lügen.

Vogt. Du mußt dann oft und viel deinen Kindern dein Abendbrot geben, damit er glaube, du habest ein Herz so weich wie zerlassene Butter; und die Kinder müssen dir barfuß und zerlumpt nachlaufen.

Michel. Auch das ist nicht schwer.

Vogt. Und dann, wenn du unter allen Zehen der liebste sein wirst, erst dann wird deine rechte Arbeit angehen.

Michel. Und was ist denn die?

Vogt. Alles zu tun, was bei dem Bau Streit und Verdacht anzetteln, was die Arbeit in Unordnung bringen, und was die Taglöhner und den Meister dem Junker verleiden kann.

Michel. Das mag jetzt wohl ein bißchen ein schwereres Stücklein sein.

Vogt. Aber es ist auch so ein Stücklein, dabei du Geld verdienen kannst.

Michel. Ohne diese Hoffnung könnte wohl ein Gescheiter diese Wegweisung geben, aber nur ein Narr könnte sie annehmen.

Vogt. Das versteht sich, daß du Geld dabei verdienen mußt.

Michel. Zwei Taler Handgeld, Herr Untervogt, das muß bar voraus bezahlt sein; sonst ding ich nicht in diesen Krieg.

Vogt. Du wirst alle Tage unverschämter, Michel! Du verdienst bei der Arbeit, die ich dir zeige, Geld mit Müßiggehen; und du willst dann noch, ich soll dir den Lohn geben, daß du guten Rat annimmst.

Michel. Ich mag nichts hören. Du willst, daß ich in deinem Dienst den Schelm mache, und ich will es tun und treu sein und herzhaft; aber Handgeld und einen Dingpfennig! Zwei Taler, und keinen Kreuzer minder, das muß heraus, sonst stehe du selber hin, Vogt.

Vogt. Du Hund! du weißt, wo du zwingen kannst. Da sind die zwei Taler.

Michel. Nun ist es in der Ordnung, Meister; jetzt nur befohlen!

Vogt. Ich denke, so etwa in der Nacht Gerüststangen abbrechen, und mit einem Schlag ein paar Kirchenfenster von oben herunter spalten, das sei dir ein Leichtes; und daß Seile und Kärste, und was Kleines herum liegt, bei einem solchen Ehrenanlaß verschwinden müssen, das versteht sich von selbst.

Michel. Natürlich.

Vogt. Und dann in einer dunklen Nacht die Gerüstbretter alle den Hügel hinab in den Fluß tragen, daß sie weiter nach Holland fahren, das ist auch nicht schwer.

Michel. Nichts weniger, das kann ich vollkommen. Ich hänge ein großes weißes Hemd mitten auf den Kirchhof an eine Stange, daß der Wächter und die Frau Nachbarin, wenn sie ein Gepolter hören, das Gespenst sehen, sich segnen, und mir vom Leibe bleiben.

Vogt. Du loser Ketzer du, was für ein Einfall.

Michel. Ich tue es gewiß; es bewahrt vor dem Halseisen.

Vogt. Ja, aber das muß noch sein. Wenn Zeichnungen, Rechnungen und Pläne, die dem Junker gehören, etwa umher liegen, die mußt du ordentlich hintragen, wo sie kein Hund sucht, und des Nachts dann abholen zum Einheizen.

Michel. Ganz wohl, Herr Untervogt!

Vogt. Auch mußt du es so einfädeln, daß deine ehrende Gesellschaft im Herrendienst sich recht wohl sein lasse, daß sie liederlich arbeite, und besonders, daß, wenn der Junker oder jemand aus dem Schloß kömmt, die Lumpenordnung am größten sei, und daß du dann auch diesen winken mußt, wie schön es gehe, versteht sich.

Michel. Ich will alles probieren, und ich verstehe jetzt ganz wohl, was du eigentlich willst.

Vogt. Aber vor allem aus ist es wahrlich nötig, daß du und ich Feinde werden.

Michel. Auch das versteht sich.

Vogt. Wir wollen damit gerade jetzt anfangen. Es könnten Mamelucken da sein und erzählen, wie wir hier in Eintracht in dieser Ecke Rat gehalten haben.

Michel. Du hast recht.

Vogt. Trink noch ein paar Gläser; dann tu' ich dergleichen, als ob ich mit dir rechnen wollte, und du leugnest mir etwas. Ich fange Lärm an, du schmälst auch, und wir stoßen dich zur Türe hinaus.

Michel. Das ist gut ausgedacht! (Er säuft geschwind den Krug aus, und sagt dann zum Vogt: Fang jetzt nur an!)

Der Vogt murmelte von der Rechnung, und sagt etwas vernehmlich: Nun einmal den Gulden habe ich nicht erhalten.

Michel. Besinne dich, Vogt.

Vogt. Ich weiß in Gottes Namen nichts davon. (Er ruft seiner Frau:) Frau, hast du die vorige Woche einen Gulden von Michel erhalten?

Die Frau. Behüte Gott, keinen Kreuzer!

Vogt. Das ist wunderlich. Gib mir den Rodel. (Verzeichnis.) (Sie bringt ihn, und der Vogt liest:) Da ist Montag, nichts von dir; Dienstag, nichts von dir; da ist Mittwoch . . . Am Mittwoch sagtest du ja, war es.

Michel. Ja.

Vogt. Da ist Mittwoch; siehe da, es ist nichts von dir; und auch Donnerstag, Freitag und Samstag, es ist kein Wort da von dem Gulden.

Michel. Das ist vom Teufel! ich habe ihn doch bezahlt.

Vogt. Sachte, sachte, Herr Nachbar! ich schreibe alles auf.

Michel. Was habe ich von deinem Aufschreiben, Vogt? Ich habe den Gulden bezahlt.

Vogt. Das ist nicht wahr, Michel.

Michel. Ein Schelm sagt, ich habe ihn nicht bezahlt.

Vogt. Was sagst du, ungehängter Spitzbube?

Etliche Bauern stehen auf: Er hat den Vogt gescholten, wir haben es gehört.

Michel. Es ist nicht wahr; aber ich habe den Gulden bezahlt.

Bauern. Was sagst du, Schelm, du habest ihn nicht gescholten? Wir haben es alle gehört.

Vogt. Werft mir den Hund aus der Stube!

Michel. (Mit dem Messer in der Hand.) Wer mich anrührt, der sehe zu . . .

Vogt. Nehmt ihm das Messer!

Sie nehmen ihm das Messer, stoßen ihn zur Türe hinaus, und kommen dann wieder.

Vogt. Es ist gut, daß er fort ist; er war nur ein Spion vom Maurer.

Bauern. Bei Gott, das war er! Es ist gut, daß der Schelm fort ist.


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