Heinrich Pestalozzi
Lienhard und Gertrud
Heinrich Pestalozzi

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

91.
Des Junkers Antwort.

Aber der Junker setzte den Hut auf, sah etwas ernsthaft umher, und sagte: Nachbarn, ihr brauchtet eben keinen Redner für diese Torheit. Die Sache selber und die Erscheinung des Teufels ist Irrtum, und euer Herr Pfarrer ist einer der verständigsten Geistlichen. Ihr solltet euch schämen, ihn so durch einen armen Tropf, wie euer Ehegaumer da ist, beschimpfen zu wollen. Hättet ihr gebührende Achtung für seine vernünftigen Lehren, so würdet ihr verständiger werden, euern alten Weiberglauben ablegen, und nicht allen vernünftigen Leuten zum Trotze Meinungen beibehalten wollen, die weder Hände noch Füße haben.

Die Bauern redeten zu Dutzenden: Offenbar ist doch diese Nacht der Teufel dem Vogt erschienen, und hat ihn nehmen wollen.

Junker. Ihr seid im Irrtume, Nachbarn, und ihr werdet euch noch vor dem Nachtessen eurer Dummheit schämen müssen; aber ich hoffe, ihr seid doch auch nicht alle gleich verhärtet in eurer Torheit. Meier, bist du auch der Meinung, man dürfe es gar nicht in den Zweifel ziehen, daß es wirklich der leidige Satan gewesen, der den Vogt auf dem Berge so erschreckt habe?

Der junge Meier antwortete: Was weiß ich, gnädiger Herr! Der Ehegaumer aber und viele Bauern ergrimmten über den Meier, daß er also antwortete, und der Ehegaumer murrte hinter sich über die Bänke zu: Wie du auch wider Wissen und Gewissen redest, Meier! Viele Bauern aber sagten: Wir haben doch alle die erschreckliche Stimme des leidigen Satans gehört.

Junker. Ich weiß wohl, daß ihr ein Geschrei, ein Gebrüll und ein Gerassel gehört habt; aber wie könnt ihr sagen, daß das der Teufel gewesen sei? Kann es nicht sein, daß ein Mensch oder mehrere den Vogt, der ziemlich zur Unzeit an diesem Orte war, haben erschrecken wollen? Der Wald ist nie leer von Leuten, und die Straße ist nahe, also daß es ebensoleicht Menschen können getan haben als der Teufel.

Bauern. Zehn und zwanzig Menschen könnten zusammen nicht so ein Geschrei machen; und wenn Sie dagewesen wären, gnädiger Herr, und es gehört hätten, es käme Ihnen nicht in den Sinn, daß Menschen so brüllen könnten.

Junker. Die Nacht trügt, Nachbarn, und wenn man einmal im Schrecken ist, so sieht und hört man alles doppelt.

Bauern. Es ist nicht von dem zu reden, daß wir uns irren; es ist nicht möglich.

Junker. Ich aber sage euch: es ist ganz gewiß, daß ihr euch irret.

Bauern. Nein, gnädiger Herr; es ist ganz gewiß, daß wir uns nicht irren.

Junker. Ich meinte fast, ich könnte euch beweisen, daß ihr euch irret.

Bauern. Das möchten wir sehen, gnädiger Herr.

Junker. Es könnte leicht etwas schwerer sein als dieses.

Bauern. Euer Gnaden scherzen.

Junker. Nein, ich scherze nicht. Wenn ihr glaubet, ich könne es nicht, so will ich es versuchen; und wenn ihr die Gemeindweide teilen wollt, so will ich Wort halten, und euch beweisen, daß ein einziger Mensch das Gebrüll und das Gerassel alles gemacht habe.

Bauern. Das ist nicht möglich!

Junker. Wollt ihr es versuchen?

Bauern. Ja, Junker, wir wollen es. Wir dürften zwei Gemeindweiden daran setzen, nicht bloß eine, daß Sie das nicht können.

Hierauf entstand ein Gemurmel. Einige Bauern sagten unter sich: Man muß sich doch in acht nehmen, was man verspricht. Andere Bauern auch, unter sich: Er kann das so wenig beweisen, als daß der Teufel in den Himmel kömmt. Wieder andere Bauern auch unter sich: Wir haben nichts zu fürchten; er muß hinten abziehen. Wir wollen es daran setzen, er könne es nicht beweisen.

Bauern (laut). Ja, Junker, wenn Ihr wollt Wort halten, so redet; wir sind es zufrieden. Wenn Ihr das, was Ihr gesagt habt, daß ein Mensch das Gebrüll, so wir gestern gehört haben, gemacht hat – wenn Ihr das beweisen könnet, daß es bewiesen ist, und bewiesen heißt, so wollen wir die Gemeindweide teilen; aber sonst gewiß nicht.

Der Junker nimmt ein großes, weißes Schnupftuch, gibt dem Hühnerträger das Zeichen, und sagt zu den Bauern: Nur eine Viertelstunde Bedenkzeit!

Diese lachten in allen Ecken, und etliche riefen: Bis morgen, Junker, wenn Ihr wollt.

Der Junker antwortete auf diese Grobheit kein Wort; aber die auf dem Kirchhofe, als sie den Hühnerträger gegen den Gemeindeplatz anrücken sahen, lachten, was sie aus dem Halse vermochten. Es träumte aber den Bauern vom Bösen, als sie das laute Gelächter hörten, und den fremden Mann mit dem schwarzen Korbe und mit der Laterne anrücken sahen.

Was ist das für ein Narr – am hellen Tage mit dem brennenden Lichte? sagten die Bauern.

Arner. Es ist mein Hühnerträger von Arnheim. – Christoph, was willst du hier?

Christoph. Ich habe etwas anzubringen, gnädiger Herr.

Arner. Das magst du meinethalben.

Da stellte der Hühnerträger seinen Korb ab, und sagte:


 << zurück weiter >>