Heinrich Pestalozzi
Lienhard und Gertrud
Heinrich Pestalozzi

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32.
Die Freuden der Gebetsstunde.

Mutter. Niklas, wen kennst du, der am meisten Hunger leiden muß?

Niklas. Mutter, den Rudeli. Du warst gestern bei seinem Vater. Der muß schier Hungers sterben; er ißt Gras ab dem Boden.

Mutter. Wolltest du ihm gerne dann und wann dein Abendbrot geben?

Niklas. O ja, Mutter! Darf ich gerade morgen?

Mutter. Ja, du darfst es.

Niklas. Das freut mich.

Mutter. Und du, Lise, wem wolltest du dann und wann dein Abendbrot geben?

Lise. Ich besinne mich jetzt nicht gerade, wem ich es am liebsten gäbe.

Mutter. Kommt dir denn kein Kind in den Sinn, das Hunger leiden muß?

Lise. Wohl freilich, Mutter.

Mutter. Warum weißt du denn nicht, wem du es geben willst? Du hast immer so kluges Bedenken, Lise.

Lise. Ich weiß es jetzt auch, Mutter.

Mutter. Wem denn?

Lise. Des Reuti-Marxen Betheli. Ich sah es heute auf des Vogts Mist verdorbene Erdäpfel heraussuchen.

Niklas. Ja Mutter, ich sah es auch, und suchte in allen meinen Säcken; aber ich fand keinen Mundvoll Brot mehr. Hätte ich es mir auch eine Viertelstunde länger gespart!

Die Mutter fragte jetzt eben das auch die andern Kinder, und sie hatten alle eine herzinnige Freude darüber, daß sie morgen ihr Abendbrot armen Kindern geben sollten. Die Mutter ließ sie eine Weile diese Freude genießen; dann sagte sie zu ihnen: Kinder, es ist jetzt genug hievon. Denket jetzt auch daran, wie unser gnädige Herr euch so schöne Geschenke gemacht hat.

Ja unsere schönen Batzen! Willst du sie uns doch zeigen, Mutter? sagten die Kinder.

Hernach, nach dem Beten, sagte die Mutter; und die Kinder jauchzten vor Freude.


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