Heinrich Pestalozzi
Lienhard und Gertrud
Heinrich Pestalozzi

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102.
Der Pfarrer mischt sich ins Spiel.

Aber der Pfarrer, der den Unfug vernahm, und hörte, daß er morgen noch größer werden sollte, schrieb noch in gleicher Nacht an Arner folgenden Brief:

Hochedelgeborner, hochgeachteter Herr!

Es ist diesen Abend, da der Vogt auf den Berg geführt worden, so viel Mutwillen mitunter getrieben worden, daß ich nicht umhin kann, Euer Hochedelgeboren davon Nachricht zu geben, und meine Besorgnis zu äußern, daß dieser Mutwille auf den morgenden Tag noch viel größer werden möchte. Es verlautet allgemein, daß von drei bis vier Stunden her alles zulaufen werde; und ich muß gestehen, es tut mir wehe, vorauszusehen, daß bei einem so verwirrten Gewühle die Strafe des unglücklichen Mannes niemanden bessern, hingegen ein solcher lauter Mutwille bei einem so traurigen Anlasse das Volk noch mehr verhärten werde. Ich wünschte deswegen am Morgen in der Kirche, wo kein Fremder gegenwärtig wäre, mich allein mit meiner lieben Gemeinde ernsthaft über den traurigen Umstand zu unterreden, und zu trachten, daß der Leidende und die Zuschauer in eine Verfassung kommen, welche beiden zum wahren Nutzen gereichen mag. So wie die Sachen kommen wollen, sehe ich voraus, daß ich ohne Ihre Hilfe im Gewühle einer von allen Seiten zulaufenden Jugend vergeblich trachten würde, meine Pflicht zu erfüllen. Ich bitte Sie daher, auf morgen solche Maßregeln zu nehmen, daß alles fremde Volk vom Zulauf nach unserm Dorfe abgehalten, und auch bei uns allem Mutwillen und aller Ausgelassenheit vorgebogen werde. – –

Joachim Ernst, Pfarrer.

Der Junker antwortete auf der Stelle dem Pfarrer also:

Wohlehrwürdiger, lieber Herr Pfarrer!

Ich empfinde, daß ich an alles das hätte denken sollen, und danke Ihnen, daß Sie mich auch diesmal aus dem Schlafe aufgeweckt haben.

Hier ist meine Order auf morgen, die, wie ich hoffe, Ihren Wünschen entsprechen wird: Es soll den Vogt niemand zur Richtstätte begleiten, als wer am Morgen in der Kirche sich versammeln, und dem Gottesdienste beiwohnen wird. Alles soll in einem vollkommen in Ordnung gebrachten stillen Zug aus der Kirche mit ihm zur Richtstätte gehen. Auch sollen Wachen ausgestellt werden, die allen Fremden den Zugang verbieten, damit Sie, völlig vor allem Zulauf gesichert, Ihre Gemeindsgenossen allein in der Kirche antreffen. Jedermann, der sich einer Beleidigung oder Unanständigkeit gegen den Vogt schuldig machen, oder auch sonst Unordnung und Geräusch veranlassen würde, soll auf der Stelle vom Platz genommen, und in Bonnal bis auf weitere Order mit Arrest belegt werden.

Hiefür, mein lieber Herr Pfarrer, sind alle Befehle mit Bestimmtheit gegeben, und ich hoffe, die gemachten Verfügungen werden die genaue Erfüllung dieser Befehle versichern.

Ich habe indessen die Ehre zu sein etc.

von Arnheim.

In Eile, fast um Mitternacht.


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