Heinrich Pestalozzi
Lienhard und Gertrud
Heinrich Pestalozzi

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65.
Daß es auch beim niedrigsten Volke eine Delikatesse gebe, selbst bei der Annahme von Wohltaten, um die es bittet.

Wüst zitterte, da er dem Pfarrer das Geld abnahm, dankte und sagte: Aber den Bündel nehme ich gewiß nicht heim, Herr Pfarrer.

Pfarrer (lächelnd). Nun so lasse ich ihn dir nachtragen, wenn du ihn nicht gerne selber mitnimmst.

Wüst. Um Gottes willen, Herr Pfarrer! behaltet den Bündel, damit Ihr für Eure Sache sicher seid.

Pfarrer. Das wird sich schon geben, Wüst. Bekümmere dich jetzt nicht hierüber, und denke vielmehr an das weit Wichtigere, was dir bevorsteht. Ich will heute noch dem Junker schreiben, und du bringst ihm dann morgen den Brief.

Wüst. Ich danke Euch, Herr Pfarrer; aber um Gottes willen behaltet den Bündel; ich darf sonst das Geld nicht nehmen, weiß Gott, ich darf nicht.

Pfarrer. Schweige jetzt hievon! Gehe alsobald mit dem Gelde zu dem Vogt, und komm morgen etwa um neun Uhr wieder zu mir; aber rede mir kein Wort weiter vom Bündel.

Da ging der Wüst erleichtert und in seinem Gewissen getröstet vom Pfarrer fort, gerade in des Vogts Haus, und gab das Geld, da der Mann nicht zu Hause war, der Frau.

Diese fragte ihn: Woher so viel Geld auf einmal, Wüst?

Niedergeschlagen und kurz antwortete der Wüst: Ich habe es so gemacht, wie ich es gekonnt habe. Gottlob, daß du es hast!

Die Vögtin erwiderte: Wir haben dich noch nie darum genötigt.

Wüst. Ich weiß es wohl; aber es ist vielleicht eben darum nichts desto besser.

Vögtin. Das ist wunderlich geredet, Wüst. Wo fehlt es dir? Du bist die Zeit her gar nicht recht.

Wüst. Ach Gott, du wirst es wohl erfahren. Aber zähle doch das Geld, ich muß gehen.

Die Vögtin zählt das Geld, und sagt: Es ist richtig.

Wüst. Nun, gib es deinem Manne ordentlich. Behüte Gott, Frau Vögtin!

Vögtin. Muß es sein, so behüte Euch Gott, Wüst!


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