Heinrich Pestalozzi
Lienhard und Gertrud
Heinrich Pestalozzi

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

33.
Die Ernsthaftigkeit in der Gebetsstunde.

Ihr lärmet, Kinder, sagte die Mutter.

Wenn euch etwas Gutes begegnet, so denket doch bei allem an Gott, der uns alles gibt. Wenn ihr das tut, Kinder, so werdet ihr in keiner Freude wild und ungestüm sein. Ich bin gerne selber mit euch fröhlich, ihr Lieben; aber wenn man in Freude und Leid ungestüm und heftig ist, so verliert man die stille Gleichmütigkeit und Ruhe seines Herzens. Und wenn der Mensch kein stilles, ruhiges und heiteres Herz hat, so ist ihm nicht wohl; darum muß er Gott vor Augen haben. Die Gebetsstunde des Abends und Morgens ist dafür, daß ihr das nie vergesset; denn, wenn der Mensch Gott dankt oder betet, so ist er in seinen Freuden nie ausgelassen und in seinen Sorgen nie ohne Trost; aber darum, Kinder, muß der Mensch, besonders in seiner Gebetsstunde, suchen ruhig und heiter zu sein. Sehet, Kinder, wenn ihr dem Vater recht danket für etwas, so jauchzet und lärmet ihr nicht; ihr fallet ihm still und mit wenig Worten um den Hals; und wenn es euch recht zu Herzen geht, so steigen euch Tränen in die Augen. Sehet, Kinder, so ist es auch gegen Gott. Wenn es euch recht freut, was er euch Gutes tut, und wenn es euch recht im Herzen ist zu danken, so macht ihr gewiß nicht viel Geschrei und Gerede; aber Tränen kommen euch in die Augen, daß der Vater im Himmel so gut ist. Sehet, Kinder, dafür ist alles Beten, daß einem das Herz im Leibe gegen Gott und Menschen immer dankbar bleibe. Und wenn man recht betet, so tut man auch recht, und wird Gott und Menschen lieb in seinem ganzen Leben.

Niklas. Auch dem gnädigen Herrn werden wir recht lieb, wenn wir recht tun, sagtest du gestern.

Mutter. Ja, Kinder, es ist ein recht guter und frommer Herr. Gott lohne ihm alles, was er an uns tut. Wenn du ihm einst nur recht lieb wirst, Niklas!

Niklas. Ich will ihm tun, was er will. Wie dir und dem Vater will ich ihm tun, was er will, weil er so gut ist.

Mutter. Das ist brav, Niklas. Denk' nur immer so, so wirst du ihm gewiß lieb werden.

Niklas. Wenn ich nur auch einmal mit ihm reden dürfte!

Mutter. Was wolltest du mit ihm reden?

Niklas. Ich wollte ihm danken für den schönen Batzen.

Anneli. Dürftest du ihm danken?

Niklas. Warum das nicht?

Anneli. Ich dürfte es nicht.

Lise. Ich auch nicht.

Mutter. Warum dürftet ihr das nicht, Kinder?

Lise. Ich müßte lachen.

Mutter. Was, lachen, Lise? und noch voraus sagen, daß du nicht anders als läppisch tun könntest? Wenn du nicht viel Torheiten im Kopf hättest, es könnte dir an so etwas kein Sinn kommen?

Anneli. Ich müßte nicht lachen, aber ich würde mich fürchten.

Mutter. Er würde dich bei der Hand nehmen, Anneli, und würde auf dich herablächeln, wie der Vater, wenn er recht gut mit dir ist. Dann würdest du dich doch nicht mehr fürchten, Anneli?

Anneli. Nein, dann nicht.

Jonas. Und ich dann auch nicht.


 << zurück weiter >>