Heinrich Pestalozzi
Lienhard und Gertrud
Heinrich Pestalozzi

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89.
Ein Urteil.

Unglücklicher Mann!

Es tut mir von Herzen weh, dir in deinen alten Tagen die Strafen anzutun, die auf Verbrechen, wie die deinigen sind, folgen müssen. Du hast den Tod verdient, nicht weil des Hübelrudis Matte oder mein Markstein eines Menschen Leben wert sind, sondern weil meineidige Taten und ein freches Räuberleben über ein Land grenzenlose Gefahren und Unglück bringen können. Der meineidige Mann und der Räuber werden Mörder beim Anlaß, und sind Mörder im vielfachen Sinn durch die Folgen der Verwirrung, des Verdachts, des Jammers und des Elends, das sie anrichten. Darum hast du den Tod verdient. Ich schenke dir zwar wegen deines Alters, und weil du einen Teil deiner Verbrechen gegen mich persönlich ausgeübt hast, das Leben. Deine Strafe aber ist diese: Du sollst noch heute in Begleitung aller Vorgesetzten, und wer sonst mitgehen will, zu meinem Markstein gebracht werden, um daselbst in Ketten alles wieder in den vorigen Stand zu stellen. Hierauf sollst du in das Dorfgefängnis hier in Bonnal geführt werden; daselbst wird dein Herr Pfarrer vierzehn Tage lang alle Tag zu dir kommen, und deinen Lebenslauf von dir abfordern, damit man deutlich und klar finden könne, woher eigentlich diese große Ruchlosigkeit und diese Härte deines Herzens entsprungen ist. Ich selbst werde alles Nötige vorkehren, den Umständen nachzuspüren, welche dich zu deinem Verbrechen verführt haben, und die auch andere von meinen Angehörigen in gleiches Unglück bringen können. Am Sonntag über vierzehn Tage wird sodann der Herr Pfarrer öffentlich vor der ganzen Gemeinde die Geschichte deines Lebenswandels, deiner häuslichen Unordnung, deiner Hartherzigkeit, deiner Verdrehung aller Eide und Pflichten und deiner schönen Rechnungsart gegen Arme und Reiche umständlich, mit deinen eigenen Aussagen bekräftigt, vorlegen. Ich selbst will gegenwärtig sein, und mit dem Herrn Pfarrer alles vorkehren, was nur möglich ist, um meine Angehörigen in Zukunft vor solchen Gefahren sicher zu stellen, und ihnen gegen die Quellen und Grundursachen des vielen häuslichen Elends, das im Dorfe ist, Hilfe und Rat zu schaffen. Hiemit wollte ich dich denn gern entlassen. Wenn meine Angehörigen sanft und wohlgezogen genug wären, der Wahrheit und dem, was ihr zeitliches und ewiges Heil betrifft, um ihrer selbst und nicht um der elenden Furcht vor rohen, grausamen und ekelhaften Strafen willen zu folgen, so würde ich dich hiermit wirklich entlassen; aber bei so vielen rohen, unbändigen und ungesitteten Leuten, die noch unter uns wohnen, ist es nötig, daß ich um dieser willen noch beifüge: Der Scharfrichter soll dich morgen unter den Galgen von Bonnal führen, dir daselbst deine rechte Hand an einen Pfahl in die Höhe binden, und deine drei ersten Finger mit unauslöschlicher schwarzer Farbe anstreichen, wobei aber mein ernster Wille ist, daß niemand mit Gespött oder mit Gelächter oder irgend einiger Beschimpfung dir diese Stunde deines Leidens wider meinen Willen verbittere, sondern alles Volk ohne Geräusch und Gerede still mit entblößtem Haupte zusehen soll.

Den Hans Wüst verurteilte der Junker zu achttägiger Gefängnisstrafe; aber den Joseph als einen Fremden ließ er sogleich aus seinem Gebiete fortführen, und ihm alle Arbeit und das fernere Betreten seines Bodens bei Zuchthausstrafe verbieten.

Indessen hatte des Pfarrers Gevatter, Hans Renold, ihm ganz in der Stille berichtet, was die Bauern mit dem Ehegaumer vorhätten, und wie sie gewiß und unfehlbar ihn wegen seines Unglaubens angreifen würden. Der Pfarrer dankte dem Renold, und sagte ihm mit Lächeln, er solle ohne Sorgen sein, es werde so übel nicht ablaufen.

Das ist vortrefflich, sagte der Junker, dem der Pfarrer dieses erzählt hatte, daß sie das Spiel selber anfangen wollen; und indem er es sagte, stand der Ehegaumer auf, und sprach:


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