Heinrich Pestalozzi
Lienhard und Gertrud
Heinrich Pestalozzi

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80.
Des Junkers Antwortschreiben an den Pfarrer.

Wohlehrwürdiger, lieber Herr Pfarrer!

Der Vorfall mit dem Vogt ist mir eine Stunde vor Ihrem Schreiben durch den Teufel selbst, der den Vogt den Berg hinabjagte, geoffenbart worden, und der ist mein lieber Hühnerträger Christoph, den Sie wohl kennen. Ich erzähle Ihnen die ganze Geschichte, die recht lustig ist, noch heute; denn ich komme zu Ihnen, und will wegen des Marksteins Gemeinde halten lassen, und zugleich will ich mit meinen Bauern wegen ihres Gespensterglaubens jetzt eine Komödie spielen, und Sie, mein lieber Herr Pfarrer, müssen auch mit mir in diese Komödie. Ich denke, Sie sind noch nicht in vielen gewesen, sonst würden Sie gewiß nicht so schüchtern, aber vielleicht auch nicht so herzgut und so zufrieden sein.

Ich sende Ihnen hier von meinem besten Weine zum herzlichen Gruß und Dank, daß Sie mir so redlich und brav geholfen haben, meines lieben Großvaters Fehler wieder gut zu machen. Wir wollen diesen Abend zu seinem Andenken eins davon miteinander trinken. Mein lieber Herr Pfarrer, er war doch ein braver Mann, wenn die Schelme schon so oft sein gutes Herz und sein Zutrauen gemißbraucht haben.

Ich danke Ihnen, mein lieber Herr Pfarrer, für Ihre Mühe und für Ihre Sorgfalt wegen des Hübelrudi. Freilich will ich ihm helfen. Noch heute muß er mit meinem lieben Großvater wieder zufrieden werden, und, will's Gott, in seinem Leben bei seinem Andenken nicht mehr trauern. Es tut mir in der Seele leid, daß er so unglücklich gewesen ist, und ich will, auf was Weise ich kann, dafür sorgen, daß der Mann für sein Leiden und seinen Kummer mit Freude und Ruhe wieder erquickt werde. Wir sind gewiß schuldig, die Fehler unserer Eltern wieder gut zu machen, so viel wir können und vermögen. O es ist nicht recht, Herr Pfarrer, daß man behauptet, ein Richter sei nie in einer Gefahr und nie einen Ersatz schuldig. Ach Gott, Herr Pfarrer, wie wenig kennt man den Menschen, wenn man nicht einsieht, daß alle Richter eben durch Gefahr ihres Vermögens nicht nur zur Ehrlichkeit, sondern zur Sorgfalt und zur Anstrengung aller Aufmerksamkeit sollten bewogen und angehalten werden. Aber was ich da vergebens schwatze!

Meine Frau und meine Kinder grüßen Ihre Geliebten alle herzlich, und senden Ihren Töchtern noch eine Schachtel Blumenzeug. Leben Sie wohl, mein lieber Herr Pfarrer! und stürmen Sie jetzt nicht so in allen Stuben herum, alles aufzuräumen und Würste und Schinken zu sieden, als ob ich vor lauter Hunger bei Ihnen einkehren wolle, sonst werde ich nicht wieder zu Ihnen kommen, so lieb Sie mir sind.

Ich danke Ihnen noch einmal, mein lieber Herr Pfarrer, und bin mit wahrer Zuneigung

Ihr aufrichtiger Freund

Karl Arner von Arnheim.

Arnburg, den 21. März 1780.

N. S. Soeben sagt mir meine Frau, sie wolle die Komödie mit dem Hühnerträger auch sehen. Wir kommen Ihnen also alle mit den Kindern und mit dem großen Wagen auf den Hals.


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