Heinrich Pestalozzi
Lienhard und Gertrud
Heinrich Pestalozzi

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11.
Wohl überlegte Schelmenprojekte.

Der Vogt aber ging staunend in seine Nebenstube, und beratschlagte mit sich selber, wie er es anstellen wolle, wenn Joseph kommen werde.

Falsch ist er, darauf kann ich zählen, und schlau wie der Teufel. Es stehen viele Taler, die er versoffen, auf seines Meisters Rechnung; aber mein Begehren ist rund. Er wird sich fürchten, und mir nicht trauen – es läutet schon Mittag – ich will ihm bis zehn Taler bieten; innert drei Wochen fällt der ganze Bestich (der Anwurf) vom Turm herunter, wenn er tut, was ich will. Zehn Taler sollen mich nicht reuen, sagte der Vogt. Da er so mit sich selber redet, kömmt Löli und hinter ihm Joseph. Sie kamen nicht miteinander, damit man destoweniger Verdacht schöpfe.

Gott grüß dich, Joseph! Weiß dein Meister nicht, daß du hier bist?

Der Joseph antwortete: Er ist noch im Schloß; aber er wird auf den Mittag wieder kommen. Wenn ich nur um ein Uhr wieder auf der Arbeit sein werde, so wird er nichts merken.

Gut! ich habe mit dir zu reden, Joseph, und wir müssen allein sein, sagte der Vogt; führte ihn dann in die hintere Stube, schloß die Türe zu, und stieß den einen Riegel. Es standen Schweinefleisch, Würste, Wein und Brot auf dem Tische. Der Vogt nahm zwei Stühle, stellte sie zum Tisch, und sagte zu Joseph: Du versäumst dein Mittagsessen; halt's mit, und setze dich!

Das läßt sich tun, antwortete Joseph, setzte sich hin, und fragte den Vogt: Herr Vogt, sag' Er, was will Er? Ich bin zu Seinen Diensten.

Der Vogt antwortete: Auf dein Wohlsein, Joseph! Trink eins! Und dann wiederum: Versuch diese Würste; sie sollen gut sein. Warum greifst du nicht zu? Du hast ja sonst teure Zeit genug bei deinem Meister.

Joseph. Das wohl; aber es wird doch jetzt besser kommen, wenn er Schloßarbeit kriegt.

Vogt. Du bist ein Narr, Joseph. Du solltest dir wohl einbilden, wie lange das gehen möchte. Ich wollte es ihm gerne gönnen; aber er ist nicht der Mann zu so etwas. Er hat auch noch nie ein Hauptgebäude gehabt; aber er verläßt sich auf dich, Joseph.

Joseph. Das kann sein; es ist so was.

Vogt. Ich habe es mir wohl eingebildet, und darum mit dir reden wollen. Du könntest mir einen großen Gefallen tun.

Joseph. Ich bin zur Aufwart, Herr Untervogt. Auf Sein gut Wohlsein!

Es soll dir gelten, Maurer, sagte der Vogt; legt ihm wieder Würste vor, und fährt fort: Es wäre mir lieb, daß das Fundament der Kirchenmauer von gehauenen Steinen aus dem Schwendibruch gesetzt würde.

Joseph. Potzblitz, Herr Vogt! das geht nicht an; Er versteht das noch nicht. Dieser Stein ist hiezu nicht gut, und zum Fundament taugt er gar nicht.

Vogt. O der Stein ist nicht so schlimm; ich habe ihn schon gar zu viel brauchen sehn; er ist, bei Gott! gut, Joseph; und mir geschähe ein großer Gefallen, wenn diese Steingrube wieder eröffnet würde.

Joseph. Vogt, es geht nicht an.

Vogt. Ich will dankbar sein für den Dienst, Joseph.

Joseph. Die Mauer ist innert sechs Jahren faul, wenn sie aus diesem Stein gemacht wird.

Vogt. Ach, ich mag davon nichts hören; das sind Narrheiten.

Joseph. Bei Gott! es ist wahr. Es sind am Fundament zwei Miststätten und ein ewiger Ablauf von Ställen. Der Stein wird abfaulen wie ein tannenes Brett.

Vogt. Und dann zuletzt, was fragst du danach, ob die Mauer in zehn Jahren noch gut ist? Du wirst fürchten, der Schloßherr vermöge alsdann keine neue mehr. Tust du, was ich sage, so hast du ein großes, recht großes Trinkgeld zu erwarten.

Joseph. Das ist wohl gut; aber wenn der Junker es selber merkte, daß der Stein nichts nütze ist?

Vogt. Wie sollte er das verstehen? Davon ist keine Rede.

Joseph. Er weiß in gewissen Sachen viel mehr, als man glauben sollte. Du kennst ihn aber besser als ich.

Vogt. Ach, das versteht er nicht.

Joseph. Ich glaube es zuletzt selbst nicht. Der Stein ist dem Ansehen nach sehr schön, und zu anderer Arbeit vortrefflich gut.

Vogt. Gib mir deine Hand darauf, daß der Meister die Steine aus diesem Bruche nehmen muß. Tut er es, so kriegst du fünf Taler Trinkgeld.

Joseph. Das ist viel. Wenn ich es nur schon hätte!

Vogt. Es ist mir, bei Gott! ernst; ich zahle dir fünf Taler, wenn er es tut.

Joseph. Nun, da hat Er mein Wort, Herr Vogt. (Er streckt ihm die Hand dar, und verspricht es ihm in die Hand.) Es soll so sein, Herr Vogt, wie geredt! Was schere ich mich um den Herrn im Schloß!

Vogt. Noch ein Wort. Joseph! Ich habe ein Säckchen voll Zeug von einem Herrn aus der Apotheke. Es soll gut sein, daß der Bestich an den Mauern halte wie Eisen, wenn man es unter den Kalk mischt. Aber wie ist es mit diesen Spitzhöslerkünsten?Spitzhösler sagen die Schweizerbauern zu den Herren, weil sie nicht so große, weite Hosen tragen, wie sie. Man darf ihnen eben nicht ganz trauen, und ich möchte es darum lieber an einem fremden Bau als an meinem eigenen versuchen.

Joseph. Das kann ich schon; ich will es an eines Nachbars Ecke probieren.

Vogt. Das Probieren an einer Ecke, so im kleinen, ist nie etwas nütze. Man irrt sich dabei, wenn es gerät, und wenn es fehlt; man darf nie trauen, und ist nie sicher, wie es dann im großen kömmt. Ich möchte es am ganzen Kirchturm probieren, Joseph; ist das nicht möglich?

Joseph. Braucht es viel solcher Ware unter den Kalk?

Vogt. Ich glaube, auf ein Fäßchen nur ein paar Pfunde.

Joseph. Dann ist es gar leicht.

Vogt. Willst du mir's tun?

Joseph. Ja freilich.

Vogt. Und schweigen, wenn es fehlt?

Joseph. Es kann nicht übel fehlen, und natürlich schweigt man.

Vogt. Du holst die Ware allemal bei mir ab und ein Glas Wein dazu.

Joseph. Ich werde nicht ermangeln, Herr Untervogt. Aber ich muß fort; es hat ein Uhr geschlagen. (Er nimmt das Glas.) Zur schuldigen Dankbarkeit, Herr Untervogt!

Vogt. Du hast nichts zu danken, wenn du Wort hältst, so kriegst du fünf Taler.

Es soll nicht fehlen, Herr Untervogt, sagt Joseph; steht auf, stellt seinen Stuhl in eine Ecke, und sagt dann: Es muß sein, Herr Untervogt! schuldigen Dank! und trinkt jetzt das letzte.

Vogt. Nun, wenn es sein muß, so behüte Gott, Joseph! Es bleibt bei der Abrede.

Da ging Joseph, und sagte im Gehen zu sich selber: Das ist ein sonderbares Begehren mit den Steinen, und noch ein sonderbareres mit der Ware in den Kalk.

Man probiert so etwas nicht am ganzen Kirchturm.

Aber einmal das Trinkgeld soll mir nicht entwischen; das, meine ich, sei richtig. Ich mag es dann tun oder nicht.

Das ist gut gegangen, recht gut! sagte der Vogt zu sich selber, besser als ich geglaubt habe, und noch um den halben Preis. Ich hätte ihm zehn Taler versprochen wie fünfe, wenn er den Handel verstanden hätte. Wie es mich freut, daß der Handel in Ordnung ist! Nein, nein, man muß den Mut nie fallen lassen. Wäre nur auch die Mauer schon außer dem Boden! Geduld! am Montag brechen sie schon Steine dazu. O du guter Maurer! deine Frau hat dir ein böses Fressen gekocht; und du meinst, du sitzest oben auf den Thron.


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