Heinrich Pestalozzi
Lienhard und Gertrud
Heinrich Pestalozzi

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55.
Ein Heuchler macht sich einen Schelm zum Freunde.

Und in ihrem Heimgehen sagte einer zum andern: Das ist doch ein herzguter Herr, der junge Junker. Der alte wäre es auch gewesen, wenn er nicht auf hunderterlei Art betrogen und hintergangen worden wäre, sagten die ältern Männer alle aus einem Munde.

Aebi. Mein Vater hat es tausendmal gesagt, wie er in der Jugend so gewesen, und es geblieben sei, bis er endlich ganz am Vogt den Narren gefressen habe.

Leemann. Da war es aus mit des Herrn Güte; sie träufelt nur in des Vogts Kiste, und der führte ihn wie einen polnischen Bären am Seile, wohin er wollte.

Lenk. Was er für ein Hund ist, daß er uns jetzt so ohne Befehl im Feld umhersprengt, und noch dazu allein läßt!

Kienast. Das ist so sein Brauch.

Lenk. Aber ein Hundsbrauch!

Ja, der Herr Untervogt ist doch ein braver Mann; unsereiner kann eben nicht alles wissen, was vorfällt, antwortete der Kriecher fast so laut, als er konnte; denn er sah, daß der Untervogt im Hohlwege still daher schlich, und nahe bei ihnen war.

Der Teufel! du magst ihn wohl rühmen. Ich rühme jetzt den Junker, sagte Lenk auch ganz laut; denn er sah den Vogt nicht im Hohlwege.

Dieser tritt jetzt aber, indem er das sagte, außer den Hag, grüßt die Nachbarn, und fragt dann den Lenk: Warum rühmst du den Junker so mächtig?

Der Lenk antwortete betroffen: Ha, wir redeten da miteinander, wie er so liebreich und freundlich war.

Vogt. Das war aber doch nicht alles.

Lenk. Ich weiß einmal nichts anderes.

Kriecher. Das ist nicht schön, Lenk, wenn man so in seinen Worten zurückgeht. Er war aber nicht allein, Herr Untervogt, es murrten da etliche, daß Ihr sie allein gelassen habet; ich sagte aber, unsereiner könne ja nicht wissen, was so einem Herrn allemal vorfalle. Auf dieses hin sagte der Lenk, ich möge wohl den Vogt rühmen, er einmal rühme jetzt den Junker.

Aha, mit mir hast du also den Junker verglichen, sagte der Vogt und lachte laut.

Er hat es eben doch nicht so gemeint, wie man es ihm jetzt aufnimmt, sagen etliche Männer, schütteln die Köpfe, und murren über den Kriecher. Es hat gar nichts zu bedeuten, und ist nichts Böses. Es ist ein altes Sprichwort: »Wes Brot ich eß, des Lied ich sing',« sagt jetzt der Vogt, drückt dem Kriecher die Hand, redet aber nichts weiter hievon, sondern fragt die Männer, ob Arner zornig gewesen sei.

Nein, gar nicht, antworteten die Männer; er sagte nur, wir sollten heim eilen, und ungesäumt noch heute an die Arbeit gehen.

Berichtet das dem Maurer, und saget ihm, ich lasse ihn grüßen, und es habe mit dem Mißverstand nichts zu bedeuten, sagte ihnen der Vogt, ging seines Weges, und auch die Männer gingen den ihrigen. Der Harschier aber war schon längst bei dem Maurer, und bat ihn, und flehte, er solle doch sagen, er habe den Befehl am Sonntag erhalten.

Der Maurer wollte dem Vogt und dem Harschier gerne gefällig sein, und redete mit seiner Frau.

Ich fürchte alles, was krumm ist, antwortete die Frau; und ich wette, der Vogt hat sich jetzt schon damit entschuldiget. Mich dünkt, wenn der Junker dich fragt, so müssest du ihm die Wahrheit sagen, wenn aber, wie es auch sein kann, der Sache niemand mehr nachfragt, so könnest du es gelten lassen, wie sie es machen, indem das niemanden weiter schadet.

Lienhard sagte hierauf dem Harschier diese Meinung, und indessen kamen die Männer von Arnburg zurück.

Maurer. Ihr seid geschwind wieder da.

Die Männer. Wir hätten den Gang ersparen können.

Maurer. War er erzürnt wegen dieses Versehens?

Die Männer. Nein, gar nicht. Er war gar freundlich und liebreich, und sagte uns, daß wir heim eilen, und noch heute an die Arbeit gehen sollten.

Flink. Da siehst du jetzt selbst, daß es für dich nichts zu bedeuten hat. Für mich ist es etwas ganz anderes, und auch für den Vogt.

Ja, unterbricht sie der ehrliche Hübelrudi; dieser Anlaß, da gerade vom Vogt die Rede ist, mahnt mich, dir etwas zu sagen; ich hätte es fast vergessen. Der Vogt läßt dich grüßen und dir bemerken, es habe mit dem Mißverständnis gar nichts zu bedeuten.

Lienhard. Ist er schon beim Junker gewesen, da ihr ihn antrafet?

Die Männer. Nein, wir trafen ihn auf dem Weg zu ihm an.

Lienhard. Er weiß also nichts, als was ihr ihm sagtet, und was ich jetzt auch weiß?

Die Männer. Es kann nicht wohl anders sein.

Flink. Du bleibst doch bei deinem Versprechen?

Der Maurer. Ja, aber ganz wie ich es gesagt habe.

Jetzt befahl der Maurer den Männern, noch beizeiten an der Arbeit zu sein, und rüstete noch einige Werkzeuge. Und nachdem er gegessen, ging er mit den Männern das erste Mal an die Arbeit.

Wolle sie dir Gott segnen! sagte ihm Gertrud, da er ging. Wolle sie ihm Gott segnen! muß ich wohl auch sagen, da er geht.


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