Heinrich Pestalozzi
Lienhard und Gertrud
Heinrich Pestalozzi

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Vorrede.

Diese Bogen sind die historische Grundlage eines Versuches, dem Volke einige ihm wichtige Wahrheiten auf eine Art zu sagen, die ihm in den Kopf und ans Herz gehen sollte.

Ich suchte sowohl das gegenwärtige Historische als das folgende Belehrende auf die möglichst sorgfältige Nachahmung der Natur und auf die einfache Darlegung dessen, was allenthalben schon da ist, zu gründen.

Ich habe mich in dem, was ich hier erzähle, und was ich auf der Bahn eines tätigen Lebens meistens selbst gesehn und gehört habe, sogar gehütet, nicht einmal meine eigene Meinung hinzuzusetzen zu dem, was ich sah und hörte, daß das Volk selber empfindet, urteilt, glaubt, redt und versucht.

Und nun wird es sich zeigen; – sind meine Erfahrungen wahr, und gebe ich sie, wie ich sie empfangen habe, und wie es mein Endzweck ist, so werden sie bei allen denen, welche die Sachen, die ich erzähle, selber täglich vor Augen sehn, Eingang finden. Sind sie aber unrichtig, sind sie bloß das Werk meiner Einbildungen und der Tand meiner eigenen Meinungen, so werden sie, wie andere Sonntagspredigten, am Montag verschwinden.

Ich sage nichts weiter, sondern ich füge nur noch zwei Betrachtungen bei, welche meine Grundsätze über die Art eines weisen Volksunterrichts ins Licht zu setzen geschickt scheinen.

Die erste ist aus einem Buche unsers seligen Luthers, dessen Feder in jeder Zeile Menschlichkeit, Volkskenntnis und Volksunterricht atmet. Sie lautet also:

»Die Heilige Schrift meint es auch darum so gut mit uns, daß sie nicht bloß mit den großen Taten der heiligen Männer rumpelt, sondern uns auch ihre kleinsten Worte an Tag gibt, und so den innern Grund ihres Herzens uns aufschließt.«

Die zweite ist aus einem jüdischen Rabbiner, und lautet nach einer lateinischen Übersetzung also:

»Es waren unter den Völkern der Heiden, die rings umher und um das Erbteil Abrahams wohnen, Männer voll Weisheit, die weit und breit auf der Erde ihresgleichen nicht hatten; diese sprachen: Lasset uns zu den Königen und zu ihren Gewaltigen gehn, und sie lehren, die Völker auf Erden glücklich zu machen.

Und die weisen Männer gingen hinaus, und lernten die Sprache des Hauses der Könige und ihrer Gewaltigen, und redeten mit den Königen und ihren Gewaltigen in ihrer Sprache.

Und die Könige und die Gewaltigen lobten die weisen Männer, und gaben ihnen Gold und Seide und Weihrauch, taten aber gegen die Völker wie vorhin. Und die weisen Männer wurden von dem Golde und der Seide und dem Weihrauch blind, und sahen nicht mehr, daß die Könige und ihre Gewaltigen unweise und töricht handeln an allem Volke, das auf Erden lebt.

Aber ein Mann aus unserm Volke beschalt die Weisen der Heiden, gab dem Bettler am Weg seine Hand, führte das Kind des Dieben und den Sünder und den Verbannten in eine Hütte, grüßte die Zöllner und die Kriegsknechte und die Samariter wie seine Brüder, die aus seinem Stamme sind.

Und sein Tun und seine Armut und sein Ausharren in seiner Liebe gegen alle Menschen gewannen ihm das Herz des Volkes, daß es auf ihn traute als auf seinen Vater. Und als der Mann aus Israel sah, daß alles Volk auf ihn traute als auf seinen Vater, lehrte er das Volk, worin sein wahres Wohl bestehe; und das Volk hörte seine Stimme, und die Fürsten hörten die Stimme des Volks.«

Das ist die Stelle des Rabbiners, zu der ich kein einziges Wort hinzusetze.

Und jetzt, ehe ihr aus meiner Stille geht, liebe Blätter! an die Orte, wo die Winde blasen, und die Stürme brausen, an die Orte, wo kein Friede ist – nur noch dies Wort, liebe Blätter! (möge es euch vor bösen Stürmen bewahren!)

Ich habe keinen Teil an allem Streit der Menschen über ihre Meinungen; aber das, was sie fromm und brav und treu und bieder machen, was Liebe Gottes und Liebe des Nächsten in ihr Herz, und was Glück und Segen in ihr Haus bringen kann, das, meine ich, sei, außer allem Streit, uns allen und für uns alle in unsere Herzen gelegt.

Den 25. Hornung 1781.

Der Verfasser.


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