Heinrich Pestalozzi
Lienhard und Gertrud
Heinrich Pestalozzi

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111.
Seltsame Wirkungen des bösen Gewissens.

Aber wie wenn das Wetter ins Dorf geschlagen hätte, so war alles ob der Nachricht, daß der Vogt dem Pfarrer alles erzähle, was er von jedermann wisse, betroffen. Man sah in allen Gassen Leute die Köpfe gegeneinander und gegen die Wände kehren; es fehlte hie und da Männern und Weibern an ihrer natürlichen Farbe; viele, die den Husten oder einen schweren Atem hatten, befanden sich übler als sonst, und in allen Häusern gab es die wunderlichsten Auftritte. Viele böse Weiber wurden auf einmal mit ihren Männern wieder gut, und viele wilde und freche Kinder wurden so zahm, daß man sie um einen Finger herum hätte winden können. Eheleute und Hausleute fragten sich Sachen, und sagten sich Sachen, daß man nicht begreifen konnte, wie sie just jetzt auf das kamen, und an das dachten.

Wenn er jetzt auch sagte, daß ich ihm deinen Mantel verkauft habe, der dir gestohlen worden? sagte die durstige Frau Stoffelin zu ihrem häuslichen Manne Joosli.

Daß du jetzt auch wieder von dem Mantel anfängst, der mir so wehe tat! antwortete Joosli.

Ja man muß immer fürchten, so einer bringe noch andere Leute ins Unglück; und es ist mir wie vor, es gebe etwas, sagte die Frau.

Joosli erwiderte: Du weißt, wie lange ich dir es zutraute, und wie du mich dazu gebracht, daß ich dir versprochen habe, nichts mehr davon zu reden; und jetzt fängst du wieder davon an, als wenn du kein gutes Gewissen hättest.

Jetzt heulte die Frau, und sagte: Du weißt doch auch, daß wir Bettler beherbergten, da er weggekommen ist.

Du hast ja davon angefangen, nicht ich, sagte der Joosli; und du wirst auch wohl wissen warum, und schnurrte dann aus der Stube. Ich will dich zurichten, daß du aussiehst wie eine Nachteule, wenn du mir etwas ausbringst, sagte die Betschwester Bärbel zu ihrer Dienstmagd, mit der sie im geheimen alle Abende einen Abendtrunk hielt, und den sie ihr alle Tage in der Dämmerung bei dem Vogt holen mußte.

Wenn er auch sagte, daß er alle Wochen von uns Garn bekommen habe! sagte Christophs Lise zu ihrer Schwester Klara.

Wir wollen schweigen wie Käfer, sagte diese; und leugnen wie Hexen, erwiderte jene.

Solche Reden flossen in allen Ecken, und allenthalben war die Liebe, die man dem Vogte vor dem Taufsteine versprochen, wie der Wind weg. »Er hat da getan wie ein Heiliger, und jetzt macht er es uns so verflucht, als er nur kann!« das war das beste, was man hinten und vornen im Dorfe von ihm sagte. Aber wem für seine Haut bange ist, der vergißt nichts leichter als die Liebe, und es war vielen so angst, daß es einer Katze im Sacke nicht also sein könnte.


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