Heinrich Pestalozzi
Lienhard und Gertrud
Heinrich Pestalozzi

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43.
Die Bauern im Wirtshause werden beunruhigt.

Sie aber lief, so schnell sie vermochte, heim; und als sie in die Stube kam, warf sie das Kirchenbuch im Zorn mitten unter die Flaschen und Gläser, und fing an, überlaut zu heulen.

Der Vogt und die Nachbarn fragten: Was ist das?

Vögtin. Ihr solltet es wohl wissen; es ist nicht recht, daß ihr an einem heiligen Tage hier saufet.

Vogt. Ist es nur das, so ist es wenig.

Bauern. Und das erste Mal, daß du darüber heulst.

Vogt. Ich glaubte aufs wenigste, du habest den Geldsäckel verloren.

Vögtin. Treib' jetzt noch den Narren! Wenn du in der Kirche gewesen wärest, du würdest nicht narren.

Vogt. Was ist es denn? Heule doch nicht so, und rede! Was ist es denn?

Vögtin. Der Pfarrer muß vernommen haben, daß deine Herren da saufen während der Predigt.

Vogt. Das wäre verflucht!

Vögtin. Er weiß es gewiß.

Vogt. Welcher Satan kann es ihm jetzt schon gesagt haben?

Vögtin. Welcher Satan? Du Narr! sie kommen ja mit ihren Tabakspfeifen über die Straße und nicht zum Kamin hinab ins Haus, und dann noch ordentlich neben des Ehegaumers Haus vorbei. Jetzt hat der Pfarrer getan, daß es nicht auszusprechen ist, und alle Leute haben mit den Fingern auf mich gezeigt.

Vogt. Das ist abermal ein verdammtes Stück, das mir so ein Satan angerichtet hat.

Vögtin. Warum mußtet ihr eben heute kommen, ihr Saufhunde? Ihr wußtet wohl, daß es nicht recht ist.

Bauern. Wir sind nicht schuld; er hat uns einen Boten geschickt.

Vögtin. Ist das wahr?

Bauern. Ja, ja.

Vogt. Es war mir so wunderlich, als es mir sein konnte, und unausstehlich allein zu sein.

Vögtin Das ist gleichviel! Aber Nachbarn, geht doch, so schnell ihr könnet, durch die hintere Türe heim, und machet, daß das Volk, wenn es aus der Kirche kömmt, einen jeden vor seinem Hause antreffe. So könnt ihr die Sache noch bemänteln. Man hat noch nicht vollends ausgesungen; aber gehet, es ist noch Zeit!

Vogt. Ja, gehet, gehet! Das ist ein Abigailsrat.

Die Bauern gingen. Da erzählte ihm die Frau erst recht, daß der Pfarrer vom Judas gepredigt habe, wie der Teufel ihm in sein Herz gefahren sei, wie er sich erhängt habe, und wie die, so vom Nachtmahl weggehen zu saufen und zu spielen, ein gleiches Ende nehmen werden. Er war so eifrig, sagte die Frau, daß er mit den Fäusten aufs Kanzelbrett schlug, und mir ist schier geschwunden und ohnmächtig geworden. Der Vogt aber erschrak über das, so die Frau erzählte, so sehr, daß er war wie ein Stummer, und kein Wort antwortete; aber schwere, tiefe Seufzer tönten jetzt aus dem stolzen Munde, den man jahrelang nie so seufzen gehört hatte.

Seine Frau fragte ihn oft und viel, warum er so seufze; aber er antwortete ihr kein Wort. Mehr als einmal sagte er mit bangem Seufzen zu sich selber: Wohin kommt es noch weiter? wohin kommt es noch mit mir? So ging er jetzt lange seufzend in der Stube hin und her. Endlich sagte er zur Frau: Bringe mir ein Jastpulver vom Scherer! Mein Geblüt wallt in mir, und macht mich unruhig. Ich will morgen zu Ader lassen, wenn es auf das Pulver nicht besser wird. Die Frau brachte ihm das Pulver. Er nahm es, und eine Weile darauf ward ihm wirklich leichter.


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