Heinrich Pestalozzi
Lienhard und Gertrud
Heinrich Pestalozzi

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96.
Reine Herzensgüte eines armen Mannes gegen seinen Feind.

Rudi. Von der Nützung ist gar nicht zu reden, wohlehrwürdiger Herr Pfarrer! Ich will mich nicht rühmen; aber wenn der Vogt arm wird, so will ich gewiß auch tun, was recht ist. Sehet, Herr Pfarrer! die Matte trägt wohl mehr als für die drei Kühe Futter, und wenn ich zwei halten kann, so habe ich, weiß Gott, genug, mehr als ich hätte wünschen dürfen. Ich will von Herzen gerne den Vogt, so lange er lebt, alle Jahre für eine Kuh Heu ab der Matte nehmen lassen.

Pfarrer. Das ist sehr christlich und brav von dir, Rudi. Der liebe Gott wird dir das übrige segnen.

Arner. Das ist wohl recht und schön, Herr Pfarrer! Aber man muß den guten Mann jetzt beileibe nicht beim Worte nehmen; denn er ist jetzt von seiner Freude übernommen. – Rudi, ich lobe dein Anerbieten; aber du mußt die Sache ein paar Tage ruhig überlegen. Es ist dann noch Zeit, so etwas zu versprechen, wenn du sicher bist, daß es dich nicht mehr gereuen wird. Für jetzt einmal rate ich dir, hierin nicht so voreilig zu sein.

Rudi. Ich bin ein armer Mann, gnädiger Herr, aber gewiß nicht so, daß mich etwas Ehrliches, wenn ich es versprochen habe, gereuen sollte.

Pfarrer. Der Junker hat recht, Rudi. Es ist für einmal genug, wenn du dir eben nicht viel für die Nützung versprichst. Wenn dann der Vogt in Not kommen sollte, und du die Sache bei dir selber genugsam überlegt hast, so kannst du ja immer noch tun, was du willst.

Rudi. Ja gewiß, Herr Pfarrer, will ich tun, was ich gesagt habe, wenn der Vogt arm wird.

Junker. Nun Rudi, ich möchte gerne, daß du heute recht freudig und wohl zu Mute wärest. Willst du gerne hier bei uns ein Glas Wein trinken, oder gehst du lieber heim zu deinen Kindern? Ich habe dafür gesorgt, daß du ein gutes Abendessen daheim findest.

Rudi. Ihr seid auch gar zu gütig, gnädiger Herr! Aber ich sollte heim zu meinen Kindern; ich habe niemanden bei ihnen. Ach meine Frau liegt im Grabe und jetzt meine Mutter auch.

Junker. Nun so gehe in Gottes Namen heim zu deinen Kindern! Unten im Pfrundstalle steht eine Kuh, die ich dir schenke, damit du wieder mit meinem lieben Großvater, der dir unrecht getan hat, zufrieden werdest und damit du dich heute mit deinen Kindern seines Andenkens freuest. Ich habe auch befohlen, daß man ein großes Fuder Heu ab des Vogts Bühne lade; denn es ist dein. Du wirst das Fuder gerade jetzt bei deinem Hause finden; und wenn dein Stall oder dein Haus baufällig ist, so kannst du das nötige Holz in meinem Walde fällen lassen.


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