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Hundertundvierzigster Brief.
Rica an Usbek in ***.

Soeben ist das Parlament von Paris nach der kleinen Stadt Pontoise verwiesen worden. Das Ministerium hat es durch eine Erklärung, die es entweder zu Protokoll nehmen oder anerkennen sollte, bei seiner Ehre angegriffen, und es hat dieselbe in einer Weise zu Protokoll genommen, durch welche das Ministerium entehrt wird. Die Freiheiten, die der Regent dem Parlament bei seinem Regierungsantritt bewilligt hatte (vergl. Brief 93), wußte er bald wieder zu beschneiden, und da es sich den Finanzunternehmungen Laws widersetzte, so verbannte er es endlich nach Pontoise.

Eine ähnliche Behandlung ist noch mehreren Parlamenten des Reiches angedroht worden.

Diese Körperschaften sind immer Zielscheiben des Hasses. Sie nahen sich den Königen nur, um ihnen bittere Wahrheiten zu sagen, und während eine Höflingsschar denselben unaufhörlich den Glauben beizubringen sucht, daß das Volk unter ihrer Regierung glücklich sei, strafen jene die Schmeichelei Lügen und bringen die ihnen anvertrauten Klagen und Thränen an die Stufen des Thrones.

Die Wahrheit, mein lieber Usbek, ist eine drückende Bürde, wenn man sie bis zu den Fürsten tragen muß. Diese sollten sich wohl denken können, daß diejenigen, welche solch eine Last auf sich nehmen, dazu gedrängt sind, und daß sie sich niemals zu Schritten entschließen würden, die für jeden, der sie thun muß, so traurig und kummervoll sind, wenn sie nicht dem Gebote ihrer Pflicht, ihrer Achtung und sogar ihrer Liebe gehorchten.

Paris, am 21. des ersten Mondes Gemmadi, 1720.



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