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Einleitung.

1721.

Ich beginne mit keinem Zueignungsbriefe und verlange keinen Schutz für dies Buch; man wird es lesen, wenn es gut ist; und wenn es schlecht ist, so kann mir nicht daran gelegen sein, daß man es lese.

Vorläufig veröffentliche ich nur diese ersten Briefe, um zu sehen, ob sie dem Geschmack des Publikums entsprechen; doch habe ich noch viele ähnliche in meiner Mappe, Über die Geschichte der einzelnen Ausgaben und die später hinzugefügten Briefe vergl. die Einleitung des Übersetzers. die ich ihm in der Folge werde darbieten können.

Aber dies geschieht nur unter der Bedingung, daß ich unbekannt bleibe; Alle Auflagen, die zu Montesquieu's Lebzeiten herauskamen, erschienen anonym, und noch zehn Jahre nach der ersten, 1731, kannte Ozell, der englische Übersetzer, wie er in der Vorrede zur dritten Auflage seiner Übertragung bemerkt, den Namen des Verfassers nicht. Aber in Frankreich bestand das Geheimnis, wenn es überhaupt je eins war, schon nach wenigen Jahren nicht mehr, und Montesquieu's Aufnahme in die französische Akademie, Januar 1728, geschah auf Grund der »Persischen Briefe«. denn sobald mein Name entdeckt wird, verstumme ich. Ich kenne eine Frau, welche ziemlich gut laufen kann, die aber hinkt, sobald man sie ansieht. Es genügt schon an den Fehlern des Werkes; warum sollte ich der Kritik auch noch die meiner Person bloßstellen? Wüßte man, wer ich bin, so würde man sagen: »Sein Buch widerspricht seiner Stellung; er sollte seine Zeit zu etwas Besserem anwenden; solche Dinge sind eines ernsten Mannes nicht würdig.« Den Kritikern fehlt es niemals an dieser Art von Bemerkungen; denn man hat sie bei der Hand, ohne seinen Geist sonderlich anzustrengen.

Die Perser, welche diese Briefe geschrieben haben, waren meine Hausgenossen; wir brachten unsere Tage mit einander zu. Da sie mich wie einen Mann aus einer andern Welt betrachteten, so hielten sie nichts vor mir verborgen. In der That, Leute, die aus solcher Ferne hierher verpflanzt waren, konnten keine Geheimnisse mehr haben. Sie teilten mir die meisten ihrer Briefe mit, und ich nahm davon Abschrift. Es fielen mir sogar einige in die Hände, die sie mir schwerlich würden anvertraut haben; so demütigend waren sie für die persische Eitelkeit und Eifersucht.

Mein Anteil an dem Werke beschränkt sich daher auf die Thätigkeit des Übersetzers; meine ganze Arbeit bestand darin, es unseren Sitten anzupassen. Ich habe die asiatische Redeweise nach Möglichkeit vermieden und dem Leser zahllose schwülstige Phrasen erspart, deren Überschwänglichkeit ihn bis an die Wolken erhoben hätte.

Aber das ist noch nicht alles, was ich für ihn that. Ich habe die langen Komplimente beschnitten, mit denen die Orientalen nicht weniger verschwenderisch umgehen als wir; und ich habe eine unendliche Zahl jener Kleinigkeiten übergangen, die im Tageslichte so schwer bestehen können und über den Verkehr zweier Freunde niemals hinausdringen sollten.

Freilich würde von den meisten Briefsammlungen nichts übrig geblieben sein, wenn ihre Herausgeber das Gleiche gethan hätten.

Eins hat mich oft in Erstaunen gesetzt: nämlich, daß sich diese Perser manchmal ebenso unterrichtet über die Sitten und Gebräuche unsrer Nation zeigen, wie ich selbst es bin, ja daß sie die feinsten Unterschiede kennen und Dinge bemerken, die sicherlich vielen Deutschen, die Frankreich besucht haben, entgangen sind. Ich schreibe dies der langen Dauer ihres Aufenthalts in diesem Lande zu, ganz abgesehen davon, daß es für einen Asiaten leichter ist, sich über die Sitten der Franzosen in einem Jahre zu unterrichten, als es für einen Franzosen sein würde, die der Asiaten in vier Jahren kennen zu lernen; denn die einen sind ebenso mitteilsam wie die andren verschlossen.

Nach altem Brauch hat jeder Übersetzer und selbst der barbarischste Kommentator das Recht, den Eingang seiner Übersetzung oder seines Kommentars mit einer Lobrede auf das Original zu schmücken und den Nutzen, die Vorzüge und die Vortrefflichkeit desselben anzupreisen. Aus leicht begreiflichen Ursachen habe ich darauf verzichtet, ganz besonders, weil es die Vorrede, die immer schon an sich etwas Langweiliges ist, noch langweiliger machen würde.



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