Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Zweiundneunzigster Brief.
Usbek an Rustan in Ispahan.

Es ist hier ein angeblicher persischer Gesandter eingetroffen, der mit den beiden größten Königen der Welt ein unverschämtes Spiel treibt. Er überbringt dem französischen Monarchen Geschenke, welche der unsrige sich schämen würde einem Könige von Irimetta oder Georgien anzubieten, und durch seinen schändlichen Geiz hat er die Majestät zweier Reiche beschimpft.

Er hat sich vor einem Volke lächerlich gemacht, welches den Ruf des höflichsten in Europa beansprucht, und seine Schuld ist es, daß man im Abendlande sagt, der König der Könige herrsche nur über Barbaren.

Man hat ihm Ehrenbezeugungen erwiesen, obwohl sein Verhalten darauf angelegt schien, daß sie ihm verweigert würden; und als ob dem französischen Hofe die Größe Persiens mehr am Herzen läge als ihm selbst, hat derselbe ihn mit Würde vor einem Volke erscheinen lassen, bei dem er sich verächtlich gemacht.

Schweige jedoch in Ispahan von dieser Sache; spare den Kopf eines Unglücklichen. Ich wünsche nicht, daß unsere Minister ihn für ihre eigene Unklugheit und die unwürdige Wahl, die sie getroffen haben, bestrafen. Wir haben über diesen persischen Gesandten Nachrichten in Dangeau's Tagebuch, in Richelieu's Memoiren sowie in den Briefen von Elisabeth Charlotte, Herzogin von Orleans. Er hieß Riza Beg, Par vermutlich nur von dem Statthalter einer Provinz nach Paris gesandt worden, um Handelsangelegenheiten zu ordnen, und gab sich fälschlich für einen Gesandten aus, um daraus Vorteil zu ziehen. Obwohl die Geschenke, die er Ludwig XIV. überbrachte, kaum den Wert von tausend Thalern überstiegen, glaubte doch Pontchartrin dem König zu schmeicheln, indem er diesem den Gast als einen wirklichen Gesandten des Sofi darstellte, und Riza Beg wurde mit großem Gepränge empfangen. Er entführte eine verheiratete Frau, die er zum Islam bekehrte, und aus Furcht vor einer Bestrafung seines Betruges vergiftete er sich im folgenden Jahre zu Erivan. – Dieser Riza Beg ist das Historische an den »Persischen Briefen«; es läßt sich wohl annehmen, daß sein Besuch in Paris Montesquieu die Anregung zu seinem Buche gegeben hat.

Paris, am Letzten des zweiten Mondes Gemmadi, 1715.



 << zurück weiter >>