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Dreiundsiebzigster Brief.
Rica an Usbek in ***.

Ich habe von einer Art Gerichtshof reden hören, welchen man die französische Akademie nennt; aber geringere Achtung genießt kein Gerichtshof der Welt; denn wie es heißt, kassiert das Volk seine Urteile, sobald sie gefällt sind, und giebt ihm selbst Gesetze, denen er gehorchen muß.

Vor einiger Zeit gab er zur Befestigung seines Ansehens einen Codex seiner Urteilssprüche heraus. Das Wörterbuch der französischen Akademie. Dies Kind so vieler Väter kam fast schon altersschwach zur Welt, und obwohl es legitim war, hätte es doch ein schon vor ihm erschienener Bastard Dies bezieht sich auf das Universalwörterbuch des Akademikers Antoine de Furetière, welches noch vor demjenigen der Akademie veröffentlicht wurde und als ein Plagiat an letzterem bezeichnet werden kann. Nach Collin de Plancy soll es erst nach des Verfassers Tode erschienen sein. Furetière wurde von seinen Kollegen ausgestoßen; eine Medaille, welche zum Gedächtnis dieses Ereignisses geschlagen wurde, trug die Umschrift: »Ab ejecto corporis sanitas.« beinahe in der Geburt erstickt.

Die Mitglieder dieses Gerichtshofes haben keine andere Obliegenheit, als unaufhörlich zu schwatzen. Die Lobhudelei mischt sich wie von selbst in ihr ewiges Geplapper; und sobald sie in seine Mysterien eingeweiht sind, ergreift sie die Panegyrikuswut und läßt sie nicht wieder los.

Dieser Körper hat vierzig Köpfe, die alle vollgepfropft sind mit Floskeln, Metaphern und Antithesen; die Sprache seiner vierzig Mäuler besteht fast nur in Ausrufungen, und seine Ohren wollen immer durch harmonischen Tonfall gekitzelt sein. Nur für die Augen ist nicht gesorgt; er scheint bloß zum Reden, nicht zum Sehen gemacht zu sein. Übrigens ist er etwas schwach in den Füßen; denn die Zeit, sein ärgste Feindin, erschüttert ihn alle Augenblicke und zerstört ihm seine ganze Arbeit. Es hieß auch früher, er habe etwas lange Finger; Ein andrer Akademiker, Granier, wurde gleichfalls ausgestoßen, weil er eine Waise um ihr Erbgut betrogen hatte. Auch ihn feierte man durch eine Medaille mit der italienischen Inschrift: Lavora per impiccarsi (Bemüht sich, gehängt zu werden). aber ich will davon nicht reden; mögen es die entscheiden, welche es besser wissen als ich.

Nicht wahr, ***, solche drollige Sachen bekommt man doch in unserem Persien nicht zu sehen? Solche sonderbare und abenteuerliche Anstalten vertragen sich nicht mit unserem Charakter; in unseren einfachen Sitten und schlichten Gebräuchen streben wir immer nach dem Natürlichen. Obwohl Montesquieu diesen Spott über die Akademie ergehen ließ, gab er sich doch die erdenklichste Mühe, seine eigne Aufnahme in dieselbe zu erwirken, die ihm auch am 24. Januar 1728 gelang. Den Mitgliedern einer viel geringeren Anstalt, der Akademie von Bordeaux, die Schvarcz ein harmloses Dilettanten-Kasino nennt, hatte er in einer Ansprache gesagt, daß sie sich durch ihr Wirken die Unsterblichkeit gesichert habe.

Paris, am 27. des Mondes Zilhageh, 1715.



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