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Fünfundachtzigster Brief.
Rica an ***.

Gestern habe ich dem Invalidenstift einen Besuch gemacht. Wäre ich ein Fürst, so wollte ich ebenso gern der Begründer dieser Anstalt sein, als drei Schlachten gewonnen haben. Überall spürt man hier die Hand eines großen Monarchen. Ich möchte dies für die ehrwürdigste Stätte auf Erden halten.

Welch ein Schauspiel, hier an einem Orte alle diese Opfer des Vaterlandes versammelt zu sehen, die nur atmen, um es zu verteidigen und, da sie zwar den Drang, aber nicht die Kraft dazu in sich fühlen, nur das eine beklagen, daß sie ohnmächtig sind, sich noch einmal für dasselbe zu opfern!

Kann man etwas Bewundernswerteres sehen, als diese hinfälligen Krieger, wie sie an diesem Zufluchtsorte noch dieselbe strenge Mannszucht beobachten, als ob die Nähe des Feindes sie dazu nötigte; wie sie ihren letzten Stolz in diesem Bilde des Krieges suchen; wie ihr Herz und Sinn zwischen den Pflichten der Religion und der Kriegskunst geteilt ist?

Ich wünschte wohl, die Namen derer, die für das Vaterland sterben, würden in den Tempeln auf Tafeln bewahrt, um gleichsam die Quelle des Ruhmes und der Ehre darzustellen. Die Invalidenstiftung wurde von Ludwig XIV. durch Ordonnanz vom15. April 1670 gegründet, »um den Soldaten ein glückliches Dasein zu sichern, die als verkrüppelte oder altersschwache Greise sich hilflos befinden würden, nachdem sie unter den Fahnen ergraut sind oder ihr Blut für das Vaterland vergossen haben.«

Paris, am 15. des ersten Mondes Gemmadi, 1715.



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