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Sechzehnter Brief.
Usbek an den Mollah Mehemet Ali, Hüter der drei Gräber zu Kom.

In der prächtigen Moschee zu Kom befindet sich außer den Gräbern der persischen Könige auch das der Tochter Muhameds, Fatime, Gattin Ali's. (Vergl. Brief I. Anm. 18.) Aber nach der Ansicht der Gläubigen soll es leer sein, da sie auferstanden und gen Himmel gefahren ist.

Warum bringst Du Dein Leben unter Gräbern hin, göttlicher Mollah, da Du doch würdig bist, auf den Sternen zu wohnen? Gewiß verbirgst Du Dich aus Furcht, die Sonne zu verdunkeln; es haftet kein Flecken an Dir, wie an diesem Gestirn, und doch verbirgst Du Dich gleich, ihm hinter Wolken.

Dein Wissen ist ein Abgrund, tiefer als der Ocean; Dein Geist ist schneidiger als Zufagar, Alis zweischneidiges Schwert; Der Khalif Ali empfing dies Schwert von seinem Schwiegervater Muhamed, und es wurde als ein Heiligtum bewahrt, bis es einer seiner Nachfolger, Abdullah II., auf der Jagd zerbrach. Du weißt, was in den neun Chören der himmlischen Mächte geschieht; Du liesest den Alkoran auf der Brust des göttlichen Propheten; und wenn Dir eine Stelle darin dunkel bleibt, so entfaltet auf sein Geheiß ein Engel seine eilenden Schwingen und senkt sich vom Throne herab, um Dir ihr Geheimnis zu offenbaren.

Durch Dich könnte ich mit den Seraphim in vertrautem Verkehr stehen; denn berühren sich nicht in Dir, dreizehnter Imam, Himmel und Erde; bist Du nicht die Vermittlung zwischen dem Abgrund und dem Empyräum?

Ich verweile inmitten eines unheiligen Volkes. Gestatte, daß ich mich bei Dir reinige; laß mich mein Angesicht gegen die heilige Stätte kehren, die Du bewohnst; unterscheide mich von den Bösen, wie man im Glanz der Morgenröte den weißen Faden von dem schwarzen unterscheidet; stehe mir bei mit Deinem Rat; nimm Dich meiner Seele an; berausche sie mit dem Geiste der Propheten; sättige sie mit der Erkenntnis des Paradieses; und vergönne, daß ich ihre Wunden Dir zu Füßen lege. Richte Deine heiligen Briefe nach Erzerum, wo ich mich einige Monate aufhalten werde.

Erzerum, am 11. des zweiten Mondes Gemmadi,1711.



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