Katharina Elisabetha Goethe
Briefe – Band I
Katharina Elisabetha Goethe

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

235. An Goethe

den 16ten October 1795

Lieber Sohn!

Seit 5 Tagen erwartete ich deine Ankunft anstatt deiner kommt nun ein Brief der von veränderten Umständen spricht – und wo zu meinem Leidweßen dein noch längeres Ausbleiben mir angedeutet wird. Wenn die Umstände die sich verändert haben dich und deine Geschäfte betrefen; so kan ich nichts dagegen sagen – wäre aber unsere jetzige Lage darundter gemeint, so weiß ich wieder nicht warum du dich abwendig machen läßt her zu kommen – zumahl da die Frantzsosen im Rückmarsch begrifen sind. Wir sind gantz ruhig am Montag war starcke Canonade – wo die Kayerlichen die Frantzen zurück drengten – wir sind seit 3 Jahren das Ding so gewohnt worden – daß alles seinen ordentlichen Gang dabey fortgeht. Die Ursach deines Ausenbleibens seye nun welche es wolle so habe zwey Bitten an dich. Erstlich mir den Tag deiner Abreiße von Eißenach zu berichten – damit ich nicht Tagelang |: wie seit Sontag der Fall war :| am Fenster mich bald blind gucke und jede Postschäße vor die deinige halte – zweytens daß du bey guter Tageszeit eintrifts – denn da es nicht mehr mein eigen Hauß ist; so müßen verschiedne Einrichungen getrofen werden – die bey Nacht sehr beschwerlich wären – z.E. Ich habe von meinem Haußherrn eine Stube vor deine Bedinung gemithet – alles geht bey Zeit schlafen – ich kan nicht zur Stube ohne den Haußherrn allso – den Gelehrten ist gut predigen. Ich befinde mich Gott sey Danck! Lustig – munter und gesund – doch etwas grämlich über dein Ausbleiben – denn ich hätte doch Lust zu wetten, daß so etwas von feurigen kuglen von der Bethmann ihrer Fabrick schuld an deinem Ausbleiben ist. Dein Koffer ist wohlbehalten angekommen – kome du auch bald – und verlebe mir die noch so schöne Herbst tage nicht in Eißenach. Lebe wohl! Ich hoffe dir bald mündlich sagen zu können daß ich bin

deine treue Mutter
Goethe.

N. S. Daß alle deinen Freunden Zeit und weile lang wird bist du kommst – kanst du aufs wort glauben. Auch habe ich dir ein Theatralisch Donnerwetter bestelt – das dich hoch gaudiren wird. So eben zieht die Preußische Wachtparade auf – kuckstest du doch mit mir dem Fenster herraus!!!!!!!


 << zurück weiter >>