Katharina Elisabetha Goethe
Briefe – Band I
Katharina Elisabetha Goethe

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121. An Fritz von Stein

Fr. den 25. Mai 1786

Ei! Ei! mein lieber Sohn! Sie scheinen ja gar böse auf Ihre Gevatterin zu seyn! Hören Sie aber erst meine Entschuldigung und ich wette, alle Fehde hat ein Ende. Wahr ists, ich habe zwei Briefe von Ihnen nicht beantwortet, aber, lieber Freund, es war Messe! Freunde und Bekannte nahmen mir meine Zeit weg. Herr Kriegsrath Merck war tagtäglich bei mir, – der berühmte Dichter Bürger, Reichardt aus Berlin, und andere weniger bedeutende Erdensöhne waren bei mir, – an Schreiben war da gar nicht zu denken – und das, was ich jetzt thue, thu ich gegen das Gebot meines Arztes, der beim Trinken der Molken |:welches jetzt mein Fall ist:| alles Schreiben verboten hat, – doch um meinen lieben Sohn wieder gut zu machen, will ich der ganzen medizinischen Fakultät zum Trotz doch schreiben. Der 8te Mai war wohl für mich als für Goethe's Freunde ein fröhlicher Tag, – Götz von Berlichingen wurde aufgeführt, hier schicke ich Ihnen den Zettel, – Sie werden sich vielleicht der Leute noch erinnern, die Sie bei ihrem Hierseyn auf dem Theater gesehen haben. Der Auftritt des Bruder Martin, – Götz vor den Rathsherrn von Heilbronn, – die Kugelgießerei, – die Bataille mit der Reichsarmee, – die Sterbescene von Weislingen und von Götz thaten große Wirkung. Die Frage: »wo seyd Ihr her, hochgelahrter Herr?« und die Antwort: »von Frankfurth am Main« erregten einen solchen Jubel, ein Applaudiren, das gar lustig anzuhören war, und wie der Fürst |:denn Bischöfe dürfen hier und in Maynz nicht aufs Theater:| in der dummen Behaglichkeit dasaß, und sagte: »Potz, da müssen ja die zehn Gebote auch darin stehen«, – da hätte der größte Murrkopf lachen müssen. Summa Summarum! ich hatte ein herzliches Gaudium an dem ganzen Spektakel. – Nun, lieber Sohn, sind Sie jetzt wieder mit mir einig? Das ist doch ein ziemlich honetter Brief vor eine Frau, der das Schreiben verboten ist. Wir sind wieder gute Freunde und in der Hoffnung unterschreibe ich mich als

Ihre
wahre und treue Freundin
E. G.

N. S. Dienstags den 30ten Mai wird auf Begehren des Erbprinzen von Darmstadt Götz von Berlichingen wieder aufgeführt. Potz, Fritzgen, das wird ein Spaß seyn!


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