Katharina Elisabetha Goethe
Briefe – Band I
Katharina Elisabetha Goethe

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63. An die Herzogin Anna Amalia

Durchlauchdigste Fürstin!

Die gnädige Vorsorge so Ihro Durchlaucht vor das Leben der Frau Aja bezeugt, und das freundschafftliche Anerbieten in dem unerschütterten Weimar mein junges Blut in Salvo zu bringen, und nicht vor der Zeit in die Grube zu fahren hat mich auserordentlich gerüht und erfreut. Ferne seye es von mir, mit den neuen Propheten spaß zu treiben, diese gattung Leute können einem auch noch im Tode Schabernack und Hertzeleid anthun. Ich werde also drauf bedacht seyn, meine besten Habseligkeiten besonders die alten Weine dem Untergang zu entreißen und alles unter sichererm geleit nach Weimar spediren. Die neuen und minder guten Weine aber, zu ersparung des Transports biß auf den letzen tropfen austrincken. Den Frachtbrief werde ich an Den Hochwohlgebohrnen Herr Baron und Cammerherrn von Einsidel adresiren, mit Bitte Sich dieser armen vertriebenen und verjagten Emigranten anzunehmen, und ihrer in einem hübschen trockenen Keller, best möglichst zu pflegen. Freund Bölling dem ich aus Menschenliebe diese Schreckenspost auch mitgetheilt habe, bittet um die gnädige Erlaubnüß mit 50 Fäßer Caffe und etlich 100 Kisten Zucker seinen Einzug in Weimar halten zu dürfen – Überhaubt solte das eine gantz hübsche Emigration werden, den das Sündhaffte Darmstadt, das sich untersteht Presidenten abzusetzen geht gewiß am ersten Cabut – Merck mit seinem Fuchs wird auch schlechten Lusten haben, Sich in der Hälfte seiner Tage Lebendig begraben zu laßen, den bringen wir dann auch mit. Ihro Durchlaucht haben die Gnade einstweilen davor zu sorgen, daß uns ein hübscher Romantischer platz zu auferbauung eines Dörfgens angewißen werde, damit wir da, in Ruhe und Frieden, wies guten und treuen Untherthanen zusteht, unser Leben in Zucht und Erbarkeit führen mögen. Das Dörfelein soll Zoar, und wir Colonisten die flüchtigen Franckfurther benamset werden. Ach! wie mirs so wohl ums Hertz ist, daß meine Häußliche Angelegenheiten so vortrefflich besorgt sind, nun kan ich mich freuen und fröhlich seyn! Auf die Weimarer Vögel bin ich auserordentlich neugirig, und mich verlangt mit Schmertzen, den Dialog zu hören zwischen einem Spatzen und einen Reihger. Daß Ihro Durchlaucht in Ihrem Etterburg Gesund und vergnügt Sind, hat mich unendlich erfreut – Aber – aber eine große Kluft ists doch alle mahl vor Frau Aja!!! Dieser Sommer geht also leider wieder vorbey, ohne daß ich die Seeligkeit genüße meiner Theuren, Besten und Holdseligen Fürstin Liebevolles Angesicht zu sehen – O! was muß mann doch alles in dieser Werckeltag welt entbehren! Mein einziger Trost ist, daß Ihro Durchlaucht mir auch in der entfernung Dero Gnädigstes Andencken nicht entziehen – Vortrefflichste Fürstin! Erhalten Sies uns – Wir, der Vater |: der sich zu gnaden empfiehlt :| und ich ersterben

Ihro Durchlaucht

Unterthänigste, treugehorsamste Diener
Goethe

den 14ten Juli 1780


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