Katharina Elisabetha Goethe
Briefe – Band I
Katharina Elisabetha Goethe

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146. An Unzelmann

Abgegangen Freytags den 1. August.

Lieber Freund!

Hier schicke ich Ihnen den 5ten Band von Goethens Schriften. Herr Göschen hat sich mächtig mit schönem Einband angegriefen – nur schade daß die vier ersten Bände nicht auch so Elegant sind. Ich hoffe Sie werden eine kleine Freude über die wieder neu gewordne Dose haben – mir hat sie wenigstens gantz artig geschienen – Brauchen Sie dieselbe mit heiterem und vergnügten Sinn und Muth – und denken zuweilen an die übersender und Schöpferin derselben. Das Organ |: den ich wie die Sünde haße :| hat sich beygehen laßen ein Abonnement suspendü wegen dem Licht der Welt Herrn Lux als Apoteker Stößel anzukündigen – Ehe hätte ich meinen gulden dem ersten Bettler gegeben als auf Frankenberg |: dem keiner beykommen wird die Herrn in Us und Es so Meisterhaft zu produciren :| einen andern zu hören – grüßen Sie Ihn von mir – und laßen Sich die Teufeley und den Unfug von Ihm erzählen. Ich bewundre nichts mehr, als das gute Bestandhaben meiner Gesundheit, die muß von Stahl und Eißen seyn – Vorigen Sonnabend vermuthete ich wenigstens daß ein gallenfieber im anmarsch seye – aber dank seys meiner guten Natur, es verwandelte sich in etwas minder gefährliches – Und die Ursach? Fragen Sie – ja denken Sie nur meinen Hans Zenger die Rolle in die ich so verliebt bin, spielt Herr Chike!!! So geht mirs nun tagtäglich! Ach! Mein armes Steckenpferd! Es war so ein gutes wohlthätiges niemand beleidigendes Thiergen – und wird nun aus Mangel der Nahrung so klapper dür wie der Pabst im Baßler Todentantz. Ihr Brief vom 22. Juli hat meinen Glauben wieder gestärkt – meine Hoffnung auf neue belebt – So weit Ihre Entfernung – so wenig Wahrscheinlichkeit bey der Sache ist daß ich Ihnen je in meinem Leben wieder sehe; so ist das einzige worann ich mich noch halte, daß das Andenken an Ihre Freundin doch nicht gäntzlich verlöschen wird – und wie mann ein Gemählde von Zeit zu Zeit durch Firnüß erfrischen muß, daß die Farben nicht gantz verbleichen; so muß unser Briefwechsel der Firnüß seyn, daß die Freundschaft nicht verbleicht – oder gar erlöscht. Ich begreife gar wohl, daß Sie viel zu thun haben – und thue auf lange Briefe gern Verzicht – aber ein paar Zeilen – so einen kleinen Luscher – das können – das werden Sie gewiß Ihrer Freundin nicht versagen. Daß die Geschwister so wohl in Berlin gefallen haben – hat mich sehr gefreut – Es ist ein klein Stück aber eben deßwegen gehört von seiten der Schauspieler mehr Kunst dazu jeden Carakter ins rechte Licht zu setzen und mit Wärme und Wahrheit darzustellen – als in einem großen Prachtstück mit Trommlen und Pfeifen – Aber Leute wie die – die auf dem mir überschickten Zettel stehn – heben das Stück und machen dem Autor Ehre. Bei der erstaunlichen Hitze, die wir auch hir gehabt haben habe ich Ihnen 100 mahl unsern Mayn in Ihre dortigen Gegenden gewünscht – die Ihnen so bekandten Baadhäußer waren von früh um 5 biß abens 9 nie lehr – und im Mayn sahe es aus, wie bey der Auferstehung der Todten. Aber das gibt auch ein Wein!! Wenn Sie 1798 wieder kommen – und der Tod die Höfflichkeit hat mich biß dahin da zu laßen; so sollen Sie in meinen Hauß, aus einem schön vergoldenen Glaß meine Gesundheit in diesem Anno Domini trinken – auch sollen Sie auf Ihrem Stuhl mit dem doppelten Kißen sitzen – Summa Summarum es soll gehen wie ehemahls – und ich will wenn mir biß dahin der Stimmhammer nicht fält eben so laut |: als da Sie 1785 den 6ten September von Cassel kamen :| rufen – Ist Er da! Vorige Woche habe ich meinen Keller wieder in Ordnung gebracht – da fielen mir bey den alten Herrn von 1706. 1719. allerley Gedanken ein – Sie werdens leicht errathen können was ich alles dachte – denn sie kennen zur gnüge meine Schwärmerische Einbildungs Kraft. Jetzt ists hohe Zeit daß ich aufhöre – den die Feinde meiner Glückseligkeit und Ruhe sind im Anmarsch – Leben Sie wohl! Grüßen die Frau Gevatterin, und schicken bald wieder einen Luscher

Ihrer Freundin
Elisabeth.

N. S. Alles grüßt Ihnen besonders die Stocks – Marianna – Bethmann – Graf – Thurneißen


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