Katharina Elisabetha Goethe
Briefe – Band I
Katharina Elisabetha Goethe

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116. An Charlotte von Stein

Franckfurth d 14ten Novemb 1785

Gnädige Frau Theureste Freundin!

Ich habe die Antwort auf Dero zwey mir so lieben Briefe so lang aufgeschoben, biß ich von der mir aufgetragenen Commision zuverläßigen Bericht abzustatten im stande war. Die Ohrgehenge habe von vier Jubelierern und einem Juden schätzen laßen – der Jude bietet das meiste nehmlich 60 Carlolin – zu dem preiß wie sie bey Ihnen sind geschätzt worden, kan ich sie hier nicht anbringen – die Spitzen noch weniger – ich habe noch nicht einmahl ein Gebot drauf bekommen – Die Ursach ist leicht zu errathen – Leute die reich sind kauffen so was neu – geringeren ists zu kostbahr – Über das alles erwarte Dero gefällige Rückantwort. Es hat mich sehr gefreut, daß Dero Herr Sohn mit seinem Auffendhalt bey mir so zufrieden war – Ich habe wenigstens alles gethan, um Ihm meine Vaterstadt angenehm zu machen – und bin froh daß es mir geglückt ist – Zwar habe ich die Gnade von Gott, daß noch keine Menschenseele mißvergnügt von mir weggegangen ist – weß Standes, alters, und Geschlecht sie auch geweßen ist – Ich habe die Menschen sehr lieb – und das fühlt alt und jung gehe ohne pretention durch diese Welt und das behagt allen Evens Söhnen und Töchtern – bemoralisire niemand – suche immer die gute seite aus zuspähen – überlaße die schlimme dem der den Menschen schufe und der es am besten versteht, die scharffen Ecken abzuschleifen, und bey dieser Medote befinde ich mich wohl, glücklich und vergnügt. Ich erwarte mit nächstem von Ihnen neue Verhaltungs Befehle und erbiete meine Dinste vor jetzt und in Zukunft – womit die Ehre habe zu verharren, und mich zu fernerem Wohlwollen und Freundschafft auf beste zu empfehlen – und mich zu unterzeichnen

Gnädige Frau
Dero
gehorsambste dienerin und Freundin
Goethe.

N. S. Dero Herrn Gemahl – wie auch unsern beyden Söhnen empfehlen Sie mich aufs beste.


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